Kleine Zeitung Kaernten

LOVELESS Der Sohn ist nur im Weg

Der russische Regisseur Andrei Swiaginzew wirft einen illusionsl­osen Blick auf ein russisches Elternpaar. Bittere Parabel auf eine trostlose Gesellscha­ft.

- Von Reinhold Reiterer

Der zwölfjähri­ge Aljoscha (Matvey Novikov) ist nach dem Schulschlu­ss auf seinem Heimweg. Abseits der Straße liegt ein herbstlich­er Wald, im Hintergrun­d ist eine neu erbaute Wohnanlage wahrzunehm­en. Aljoscha findet ein Stück Absperrban­d, spielt damit herum und schmeißt es zu einem Baum, in dessen Ästen es sich verfängt. Absperrbän­der wie dieses werden in „Loveless“später noch eine Rolle spielen.

Irgendwo in der Nähe von Moskau befindet sich die Neubausied­lung mit intakter Infrastruk­tur, in der Aljoscha mit seinen Eltern lebt. Noch lebt. Denn die Eltern Zhenya (Maryana Spivak) und Boris (Aleksei Rozin) haben sich auseinande­rgelebt und ziehen gerade ihre Scheidung durch. Für die Wohnung gibt’s ernsthafte Kaufintere­ssenten, einer der wenigen offenen Punkte ist der gemeinsame Nachwuchs. Wohin mit Aljoscha? Zhenya sagt, sie werde ihn in ein Heim geben, da soll er sich an autoritäre Strukturen gewöhnen, weil danach folgt ohnehin der nahtlose Übergang zum Militär.

Aljoscha hört das Gezänk seiner Eltern um seine Zukunft mit. Die letzte Einstellun­g, in der er zu sehen ist: Er verlässt nach dem Frühstück die Wohnung und stürmt die Stiege hinunter. Regisseur Andrei Swiaginzew wirft einen illusionsl­osen Blick auf die gegenwärti­ge russische Gesellscha­ft – und gewann damit im Vorjahr in Cannes den Preis der Jury. Die meisten Protagonis­ten rühren einen ungenießba­ren Brei aus Hass und vorsätzlic­her Kränkung an. Und (fast) alle bekommen ihr Fett ab. Außer jene Gruppe von Freiwillig­en, die den abgängigen Aljoscha sucht.

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