Kleine Zeitung Kaernten

Seit 35 Jahren pflegt sie ihren Sohn

Pflegende Angehörige: Eine Kärntnerin erzählt, was hinter diesem Begriff steckt. Tagtäglich betreut sie zu Hause ihren erwachsene­n Sohn.

- Von Manuela Kalser Seit dem Babyalter

Sie wirft ihrem Sohn einen kurzen Blick zu. Dann lächelt Elisabeth N.* und sagt: „Ich kann ihn lesen wie ein offenes Buch.“

Seit 35 Jahren pflegt Elisabeth N. ihren Sohn. Sie füttert ihn mit Löffel und Gabel, sie wäscht ihn, sie wickelt ihn, sie zieht ihn an, sie trägt ihn ins Bett und hebt ihn wieder zurück in den Rollstuhl. Jeden Tag. Seit 35 Jahren. Den verblüffte­n Besuchern sagt sie: „Ich mach’ das alles mit Freude.“Sie sei dankbar, dass ihr schwerstbe­hinderter Sohn Michael bei ihr und ihrem Mann leben kann. „So lange ich dazu in der Lage bin, werde ich ihn pflegen. Und ich freue mich über jeden Ton, den der Bub von sich gibt.“

ist Michael behindert. Atmen ist das Einzige, was er selbststän­dig kann. Vor 35 Jahren, als er zur Welt kam, kümmerten sich seine Eltern genauso um ihn wie heute – nur, dass Michael mittlerwei­le zu einem jungen Mann gereift ist. „Im Prinzip braucht er noch dieselbe Betreuung wie damals als Kind“, sagt Elisabeth N.

Schon immer lebten sie alle gemeinsam in der hellen Wohnung mit Balkon und offener Küche. „Michael in ein Heim zu geben, kam für uns nie infrage“, stellt die 56-Jährige klar, während sie warmen Apfelstrud­el aufschneid­et. Klar, hat sie sich das alles anders vorgestell­t, damals als junge Frau: Sie war Anfang 20, frisch verheirate­t, schwanger. „Dann kam Michael. Mann und ich wussten nicht, was auf uns zukommt mit einem behinderte­n Kind.“Doch ihre Mutter meinte: „Der Bub ist, wie er ist – und wir kümmern uns jetzt zusammen um ihn.“Im Gegensatz zu vielen anderen „pflegenden Angehörige­n“ist Elisabeth N. abgesicher­t: Sie ist verheirate­t, ihr Mann arbeitet und lange Zeit war sie selbst berufstäti­g. „Jetzt werden meine Pensionsbe­iträge vom Familienfo­nds bezahlt“, sagt sie. Früher, als sie noch jeden Tag zur Arbeit ging, passte ihre Mutter auf Michael auf, nach Dienstschl­uss übernahm Elisabeth N. die Pflege. „In jungen Jahren dachte ich oft, mein Mann und ich würden etwas versäumen, weil wir mit Michael so angebunden sind.“– „Aber wissen Sie was?“, setzt sie nach. „Nichts haben wir versäumt.“

Als Michael zehn Jahre alt war, wurde Elisabeth N. ein zweites Mal schwanger – überrasche­nd und ungeplant. „Mein jüngerer Sohn kam gesund zur Welt. Es war so schön, die Buben gemeinsam aufwachsen zu sehen. Oft waren Kinder aus der Nachbarsch­aft bei uns. Sie haMein

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