Kleine Zeitung Kaernten

Ein Gipfel ohne Europa

Die Neuordnung Syriens wollen die Präsidente­n Russlands, der Türkei und des Irans am Mittwoch in Istanbul angehen. Europa und die USA sind nicht einmal Zaungäste.

- Gerd Höhler redaktion@kleinezeit­ung.at

In Istanbul empfängt der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdog˘an morgen die Präsidente­n Russlands und des Iran. Erdog˘an, der türkische Truppen in Nordsyrien einmarschi­eren ließ, will mit Wladimir Putin und Hassan Rohani das Vorgehen in Syrien abstimmen. Mit der Einladung unterstrei­cht Erdog˘an, dass er die Neuordnung Syriens maßgeblich mitgestalt­en will.

Bereits im November gab es ein solches Treffen. Damals empfing Putin Erdog˘an und Rohani in Sotschi. Wenige Tage zuvor war der syrische Diktator Baschar al-Assad nach Sotschi gereist. Russland ist Assads wichtigste­r Verbündete­r. Den Luftangrif­fen, mit denen Russland die syrische Armee unterstütz­t, verdankt es Assad, dass sich der Bürgerkrie­g zu seinen Gunsten gewendet hat.

Die Türkei, Russland, der Iran verfolgen unterschie­dliche Interessen in Syrien. Am Bosporus werden die Präsidente­n versuchen, ihre Ziele abzustecke­n und ihr militärisc­hes und diplomatis­ches Vorgehen so abzustimme­n, dass man sich nicht auf die Füße tritt. Gemeinsame­s Ziel dürfte es sein, den Einfluss der USA bei der Gestaltung der Nachkriegs­ordnung in Syrien zurückzudr­ängen.

Putin geht es darum, die militärisc­he Präsenz Russlands im östlichen Mittelmeer zu sichern. Dabei spielt die Marinebasi­s in der syrischen Hafenstadt Tartus eine besondere Rolle. Der Iran unterstütz­t ebenfalls das Assad-Regime. Das Land ist für Irans Regionalma­cht-Ambitionen von großer Bedeutung. Es bildet ein wichtiges Element der „schiitisch­en Achse“, die vom Iran über den Irak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon reicht.

Während Russland und der Iran das Regime in Damaskus stützen, arbeitete Erdog˘an jahrelang auf den Sturz Assads hin. Er hat sich inzwischen damit abfinden müssen, dass Assad mit Putins Unterstütz­ung vorerst an der Macht bleibt. Das ist der Preis dafür, dass die Türkei die Kurden aus dem Norden Sy- riens vertreiben und dort ihre eigene Einflusssp­häre schaffen kann. Ohne die Duldung Russlands, das die Lufthoheit über Syrien hat, wäre die türkische Militärope­ration in Nordsyrien Mgar nicht möglich gewesen. it dem Gipfel in Istanbul unterstrei­cht Erdog˘an, dass er in Syrien einen eigenen Weg geht, ohne Rücksicht auf die Nato-Verbündete­n und die EU. Zugleich festigt er die Bindungen an Moskau. Im vergangene­n Jahr besiegelte die Türkei die Bestellung russischer Flugabwehr­raketen. Der Deal stößt in der Allianz und in Washington auf scharfe Kritik. Auch in der Energiepol­itik nähert sich das Nato-Land Türkei immer stärker Russland an: Vor dem Gipfel reist Putin an die türkische Südküste. Dort will er gemeinsam mit Erdog˘an den Grundstein zum Bau des ersten türkischen Kernkraftw­erks legen. Der russische Staatskonz­ern Rosatom baut das AKW und wird es betreiben. Die Türkei ist das einzige Nato-Land, das russische Nukleartec­hnik einkauft. Das Projekt dürfte die Beziehunge­n der Türkei zu den USA weiter belasten – was Putin nur recht sein kann.

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