Und jetzt schlägt der Blitz ein
INTERVIEW. Die Wiener Punk-PopBand Kreisky liefert mit „Blitz“ein Album ab, an dem man sich grandios reiben kann. Frontmann Franz Wenzl über Rollenspiele, Familienväter und Wutausbrüche.
Ihr wart immer schon die Darlings der Kritiker, aber jetzt hagelt es auch aus dem deutschen Nachbarland hymnische Kritiken für das neue Album „Blitz“. Was ist passiert?
FRANZ WENZL: Ja, arg! Fast zum Schrecken. Aber wir haben nichts dagegen, wenn es eine Stufe bergauf geht. Nur nicht zu weit: Eine Stadionband wollen und werden wir nicht werden.
Was unterscheidet die neuen Songs von den älteren, die doch sehr brachial daherkommen? Wir haben das Album sehr schnell aufgenommen und wollten auch ein gewisses PopElement drinnen haben. Und wir wollten, auch aus lebenstaktischen Gründen, nicht mehr zwei Tage pro Woche im Proberaum verbringen.
Lebenstaktische Gründe?
Ja, wir sind alle Familienväter geworden. Die Aufnahmen jetzt sind so gelaufen: Wir waren zwei Wochen im Keller eines Bekannten, haben dort Mikrofone aufgestellt, und dann ist es losgegangen. Die ersten drei Tage wurden die Songs geschrieben, dann aufgenommen. Später haben wir etwas herumgefeilt, aber im Grunde kam alles aus einem Guss. Der Vorteil: Die Energie des Zusammenspielens geht nicht verloren.
Textfassungen gab es von Ihnen aber schon vorher?
Ein paar Fetzen, einige Ideen, also ein grobes Grundgerüst. Aber durch das Miteinander entstehen dann spontane Schwingungen. Ein Text zum Beispiel war mir zu platt, in einer Pause fiel mir dann das Wort „Arschloch“ein. Jetzt, mit diesem Wort, passt das Lied.
Die „Kreisky“-Musik ist geschmeidiger geworden, die Texte sind aber nach wie vor bitterböse. Ähnlich wie bei Randy Newman: süße Hülle, galliger Kern. Abgesehen davon, dass wir nicht süß sind, ist das ein riesiges Kompliment. Danke schön! Aber eigentlich bin ich immer erstaunt, dass wir als so bitterböse eingestuft werden. Auch bei der Instrumentierung. „Schreiende Gitarren“, schreiben die Rezensenten. Und ich denk mir: Wo sind denn da schreiende Gitarren?
Aber der große Kuschelbär ist der Franz Wenzl nicht. Eigentlich schon. Ab und zu lasse ich mich halt zu Gemeinheiten hinreißen. Und ich spiele gerne mit doppelten Böden, sonst wär’s ja fad. Vor allem die Graubereiche interessieren mich.
„Saalbach-Hinterglemm“zum Beispiel, eine verstörende Kindheitsreminiszenz, ist eine beinharte Nummer.
Okay, der Song ist echt arg. Wie wichtig ist das Autobiografische in Ihrer Musik? Na ja, ich schreibe keine reine Rollenprosa. Es kommt in meinen Texten schon immer wieder zu Übersteigerungen von Selbsterfahrenem, die dann oft als verstörend erlebt werden. Wenn ich zufrieden in einem Kaffeehaus sitze und ein Buch lese, ist das zwar ein schöner Moment für mich, aber nicht sehr lohnend für einen Text.
Sie sind künstlerisch gesehen eine multiple Persönlichkeit. Einerseits geben Sie den schräghumorigen Austrofred, andererseits den tobenden Kreisky-Sänger. Das Rollenspiel liegt Ihnen schon sehr.
Schimpfen ist schon ein dankbares Thema, obwohl ich ungern schimpfe.
Womit wir eben beim Rollenspiel wären. Und die Doppelbödigkeit Ihrer Kreisky-Rolle besteht ja darin, dass Sie oberflächlich gesehen dem Wutbürger eine Stimme geben, bei genauem Hinhören bekommt aber genau dieser unreflektierte Wutbürger gehörig sein Fett ab. Was die Kritiker nicht alles wissen über mich! Aber ganz Unrecht haben Sie nicht. Dieses ständige Schimpfen bei uns ist natürlich unverhältnismäßig, wenn man sich anschaut, womit andere Menschen in anderen Ländern zu kämpfen haben.
Auf der neuen CD geht es dem polternden Zeitgeist an den Kragen. Was geht Ihnen da so sehr auf den Geist? Man hat den Eindruck, dass einem die Welt, wie man sie kennt, davonschwimmt. Und dieses Entschwinden des Gewohnten ist mit unterschiedlichen Gefühlen verbunden. Mit Angst und Unsicherheit vor allem. Und darüber ärgere ich mich dann, weil ich mir denke: Es gibt ja auch genug Gründe und Argumente, das Neue gutzuheißen. Daraus entsteht dann eine Figur wie im Song „Depp des 20. Jahrhunderts“.