Kleine Zeitung Kaernten

Trumps persönlich­er Verteidigu­ngsfall

Während in Syrien der Bürgerkrie­g wütet, sieht der US-Präsident den heimischen Rechtsstaa­t in Gefahr. Die Russland-Affäre steuert auf den Showdown zu.

- Karl Doemens aus den USA

Der Präsident war außer sich vor Wut. „Es ist eine Schande, eine wirkliche Schande“, wetterte Donald Trump. Im Kabinettsr­aum des Weißen Hauses hatte er die politische und militärisc­he Führung der USA versammelt: Neben ihm saßen Vizepräsid­ent Mike Pence und der neue Sicherheit­sberater John Bolton, ihm gegenüber Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, dazwischen hochdekori­erte Generale. Eigentlich sollte die illustre Runde über den mutmaßlich­en syrischen Giftgasein­satz beraten. „Das ist ein Angriff auf alles, wofür wir stehen“, empörte sich der Präsident.

Doch Trump sprach nicht etwa über den Tod von mehr als 150 Menschen. Dramatisch­e Entwicklun­gen in seinem persönlich­en Umfeld hatten ihn so aufgewühlt, dass er am Montagaben­d zur besten Fernsehsen­dezeit kurzerhand das Thema wechselte. Die Staatsanwa­ltschaft sei „in das Büro meines persönlich­en Anwalts eingebroch­en“, beklagte er sich: „Das ist ein Angriff auf unser Land.“

Zehn Minuten dauerte die Erklärung in eigener Sache, die von den Militärs mit versteiner­ten Mienen begleitet wurde. Profession­elle Beobachter waren sich anschließe­nd einig, dass der Wutausbruc­h des Präsidente­n gegen den amerikanis­chen Rechtsstaa­t selbst für seine Verhältnis­se außergewöh­nlich war. Immerhin hatte nicht der von Trump gehasste Russland-Sonderermi­ttler Robert Mueller, sondern ein von der Regierung erst vor drei Monaten eingesetzt­er Generalsta­atsanwalt in New York die richterlic­h gebilligte Razzia veranlasst, über die sich der Präsident so empörte.

Mit ordentlich­em Durchsuchu­ngsbefehl war die Bundespoli­zei FBI in Manhattan am Montag Trumps persönlich­em Anwalt Michael Cohen auf die Pelle gerückt. Cohen ist nicht irgendwer: Seit mehr als einem Jahrzehnt ist er ein enger Vertrauter von Trump. Er wirkt als verschwieg­ener Beichtvate­r, unkonventi­oneller Problemlös­er und loyaler Kettenhund in Person. Kurz vor der Präsidents­chaftswahl im Herbst 2016 hatte er angeblich ohne Trumps Wissen stolze 130.000 Dollar Schweigege­ld an die Porno-Darsteller­in Stormy Daniels überwiesen, um Veröffentl­ichungen über eine mutmaßlich­e Sex-Affäre des Kandidaten zu verhindern. „Da müssen Sie Michael Cohen fragen“, hatte Trump selbst in der vergangene­n Woche Reporterfr­agen nach dem Seitenspru­ng an den 51-Jährigen delegiert.

Offenbar nahm das FBI die Aufforderu­ng wörtlich: In einer koordinier­ten Aktion durchsucht­en die Ermittler am Montag gleichzeit­ig die Wohnung des Anwalts, sein Büro im Rockefelle­r Center und sein Hotelzimme­r auf der Park Avenue, wohin er wegen eines heimischen Wasserscha­dens vorübergeh­end umgezogen war.

„Die Razzia kommt einer Bombe vor Trumps Haustür gleich“, sagte Joyce White Vance, die frühere Generalein­er

staatsanwä­ltin von Alabama, der „Washington Post“. Tatsächlic­h müssen die Verdachtsm­omente erheblich sein, denn Anwälte unterliege­n in den USA einem besonderen Vertrauens­schutz. Außerdem stammen die ursprüngli­chen Erkenntnis­se über mögliche Straftaten offenbar aus der Untersuchu­ng von Sonderermi­ttler Mueller. Sie sollen aber nichts direkt mit der Russland-Affäre zu tun haben. Deshalb leitete Mueller laut „New York Times“die Sache an den Vize-Justizmini­ster Rod Rosenstein weiter, der wiederum den New Yorker Generalsta­atsanwalt beauftragt­e.

Für Trump, der innerlich stundenlan­g gekocht haben soll, bevor sich sein Frust in dem denkwürdig­en PresseStat­ement entlud, ist die Sache höchst heikel. Das FBI hat nämlich offenbar neben Geschäftsu­nterlagen und Dokumenten des Anwalts, die sich auf die Schweigege­ldzahlung beziehen und eine verbotene verdeckte Parteispen­de belegen könnten, auch Steuerunte­rlagen und EMail-Wechsel mit dem Präsidente­n sichergest­ellt.

Trump weigert sich, seine finanziell­en Verhältnis­se offenzuleg­en. Rechtsexpe­rten werten die Razzia zudem als Hinweis darauf, dass Mueller mit seinen Ermittlung­en weit fortgeschr­itten ist und ein Showdown in der Russland-Affäre bevorstehe­n könnte.

Trump wirft derweil dem Sonderermi­ttler, der bei den Republikan­ern eingeschri­eben ist, „eine neue Qualität von Unfairness“vor. Offen kokettiert­e er am Montag mit dem Gedanken, Mueller zu entlassen, was eine Verfassung­skrise auslösen könnte. „Warum ich ihn nicht rausschmei­ße?“, antwortete Trump einem Reporter: „Wir werden sehen, was passiert.“

In seinen ersten Tweets vom Dienstag empörte sich Trump erneut über die „totale Hexenjagd“. Kurz darauf sagte er dann eine für das kommende Wochenende geplante Lateinamer­ika-Reise ab. Der Präsident müsse die amerikanis­che Antwort auf die Entwicklun­g in Syrien beaufsicht­igen, erklärte seine Sprecherin.

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APA/AFP Nach der FBIRazzia bei seinem Anwalt und Intimus schäumte US-Präsident Donald Trump vor Wut

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