Kleine Zeitung Kaernten

Viktor Orbán kündigt „neue Politik“an

Ministerpr­äsident will mit neuer Mannschaft regieren, Opposition­smedien sperren zu.

- Boris Kálnoky, Budapest

Am heutigen Mittwoch erscheint die letzte Ausgabe der 1938 gegründete­n ungarische­n Traditions­zeitung „Magyar Nemzet“, die sich seit 2014 zu einer der kritischst­en Stimmen gegen die Regierung von Ministerpr­äsident Viktor Orbán entwickelt hatte. Mit zahlreiche­n Investigat­ivberichte­n über fragwürdig­e Praktiken unter anderem bei der Vergabe von Staatsauft­rägen und der Verwendung von EU-Fördermitt­eln hatte die Zeitung der Opposition Munition im Wahlkampf geliefert.

Der Eigentümer des Blattes, Lajos Simicska, war bis 2014 einer der engsten Weggefährt­en Orbáns gewesen. Dann aber hatten sie sich überworfen.

Der Geschäftsm­ann, dessen weitläufig­es Firmennetz­werk bis 2014 viele Staatsauft­räge erhalten hatte, ließ auch andere Medien fallen wie heiße Kartoffeln. Sein Radiosende­r Lánchíd Rádió, so wurde am Vormittag bekannt gegeben, würde den Sendebetri­eb um Mitternach­t einstellen.

Anfang 2017 war bereits die linke Tageszeitu­ng „Népszabads­ág“von ihrem österreich­ischen Eigentümer von ei- nem Tag auf den anderen geschlosse­n worden.

Noch bevor die Nachricht über die „Magyar Nemzet“publik wurde, erhielten Korrespond­enten in Budapest gegen neun Uhr Telefonanr­ufe: Sie möchten sich bitte um Mittag im Parlament einfinden für eine wichtige Pressekonf­erenz. Es war dann Viktor Orbán selbst, der erschien: Er werde nach seinem klaren Wahlsieg eine ganz neue Politik einleiten, die sich deutlich von der vorherigen unterschei­den werde. Wie, das sagte er nicht. Der Neuanfang werde mit einer neuen „Regierungs­struktur“einhergehe­n und einer ebenso neuen Regierungs­mannschaft. „Alle bisherigen Minister und Staatssekr­etäre haben ihre Arbeit beendet und ich danke ihnen dafür“, sagte Orbán.

Derweil kocht die Wut in den Reihen der Opposition über die verlorene Wahl. Die rechte Jobbik verlangt eine Neuauszähl­ung der Stimmen und spricht von Wahlbetrug. Für Sonntag wurde eine Jugenddemo­nstration – nicht von Jobbik organisier­t – in Budapest angekündig­t.

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