Verunsicherungsministerin
Wenn Unbekümmertheit in Unbedarftheit umschlägt: Beate Hartinger hat jenen Kreisen, die das Gesundheitssystem nachhaltig reformieren wollen, einen Bärendienst erwiesen.
Sie wirkt durchaus erfrischend, die Sozial- und Gesundheitsministerin, wenn sie in den Wortmeldungen nicht auf von Spindoktoren vorfabrizierte Stehsätze zurückgreift, sondern ihren Gedanken freien Lauf lässt. Wir haben ohnehin zu viele Politiker, die bei Amtsantritt ihre Unbekümmertheit ablegen und sich im Politsprech bis zur Unkenntlichkeit verheddern.
Der Applaus der Journalisten sollte Beate Hartinger-Klein eigentlich sicher sein. Viele klagen über die von der Koalition perfektionierte „Message Control“, wonach nur Inhalte und Informationen nach außen dringen, die generalstabsmäßig zuvor abgesegnet worden sind. Hartinger bürstet unfreiwillig gegen den Strich.
Wenn Unbekümmertheit in Unbedarftheit umschlägt, wird es problematisch. Immer noch wird gerätselt, was Hartinger veranlasst hat, die Auflösung der Unfallversicherungsanstalt (AUVA) in den Raum zu stellen. Ohne Not, aus heiterem Himmel. Mag sein, dass der Vorstoß als Schuss vor den Bug gedacht war, um den Druck auf die AUVA, die bis zum Herbst Re- formen vorlegen soll, zu erhöhen. Mag sein, dass Hartinger bloß von den Kommunikationspannen der FPÖ ablenken wollte – in völliger Verkennung, welchen Dominoeffekt unbedachte Äußerungen auslösen können.
Am letzten Freitag absolvierte sie ihr legendäres ZiB-2-Interview, in dem sie auf die x-fache Nachfrage der Moderatorin, was sie denn genau wolle, mantraartig erwiderte: „Es geht nicht um Einsparungen oder die Schließung von Rehazentren, sondern um Strukturreformen und mehr Effizienz.“Punkt.
Dass solche Auftritte nicht zur Beruhigung der aufgebrachten Gemüter, sondern zur totalen Verunsicherung beitragen, liegt auf der Hand. Noch dazu, wenn die zuständige Ministerin nicht in der Lage ist, der Öffentlichkeit die Sinnhaftigkeit der angedachten Maßnahmen nur ansatzweise zu erklären. „Kommunikation zum Fürchten“, twitterte Ex-Kanzlersprecherin Heidi Glück, die dem türkisblauen Projekt durchaus wohlwollend gegenübersteht.
Bei der Reform der AUVA steht die Regierung vor einem Scherbenhaufen. Während die Verantwortlichen – auch aus Angst vor dem Macht- oder Jobverlust – gegen die angedrohte Zerschlagung mobilisieren, steht die Koalition mit dem Rücken zur Wand. Der Ball liegt bei der AUVA, die bis in den Herbst etwas vorlegen soll. o geht Politik sicherlich nicht. Wer komplexe Reformen angehen will, sollte die schnelle Schlagzeile vermeiden und stattdessen hinter den Kulissen Pflöcke einschlagen, Druck ausüben, Kompromisse einfädeln. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft steht der Gesundheitsund Pflegebereich vor gewaltigen Herausforderungen und jeder Experte weiß, dass die Mittel nicht überall effizient eingesetzt werden. Jenen Kreisen, die sicherstellen wollen, dass unser Gesundheits- und Pflegesystem auch in zehn oder 20 Jahren die gewohnten Leistungen erbringt, hat Hartinger einen Bärendienst erwiesen.
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