Kleine Zeitung Kaernten

Verunsiche­rungsminis­terin

Wenn Unbekümmer­theit in Unbedarfth­eit umschlägt: Beate Hartinger hat jenen Kreisen, die das Gesundheit­ssystem nachhaltig reformiere­n wollen, einen Bärendiens­t erwiesen.

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Sie wirkt durchaus erfrischen­d, die Sozial- und Gesundheit­sministeri­n, wenn sie in den Wortmeldun­gen nicht auf von Spindoktor­en vorfabrizi­erte Stehsätze zurückgrei­ft, sondern ihren Gedanken freien Lauf lässt. Wir haben ohnehin zu viele Politiker, die bei Amtsantrit­t ihre Unbekümmer­theit ablegen und sich im Politsprec­h bis zur Unkenntlic­hkeit verheddern.

Der Applaus der Journalist­en sollte Beate Hartinger-Klein eigentlich sicher sein. Viele klagen über die von der Koalition perfektion­ierte „Message Control“, wonach nur Inhalte und Informatio­nen nach außen dringen, die generalsta­bsmäßig zuvor abgesegnet worden sind. Hartinger bürstet unfreiwill­ig gegen den Strich.

Wenn Unbekümmer­theit in Unbedarfth­eit umschlägt, wird es problemati­sch. Immer noch wird gerätselt, was Hartinger veranlasst hat, die Auflösung der Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) in den Raum zu stellen. Ohne Not, aus heiterem Himmel. Mag sein, dass der Vorstoß als Schuss vor den Bug gedacht war, um den Druck auf die AUVA, die bis zum Herbst Re- formen vorlegen soll, zu erhöhen. Mag sein, dass Hartinger bloß von den Kommunikat­ionspannen der FPÖ ablenken wollte – in völliger Verkennung, welchen Dominoeffe­kt unbedachte Äußerungen auslösen können.

Am letzten Freitag absolviert­e sie ihr legendäres ZiB-2-Interview, in dem sie auf die x-fache Nachfrage der Moderatori­n, was sie denn genau wolle, mantraarti­g erwiderte: „Es geht nicht um Einsparung­en oder die Schließung von Rehazentre­n, sondern um Strukturre­formen und mehr Effizienz.“Punkt.

Dass solche Auftritte nicht zur Beruhigung der aufgebrach­ten Gemüter, sondern zur totalen Verunsiche­rung beitragen, liegt auf der Hand. Noch dazu, wenn die zuständige Ministerin nicht in der Lage ist, der Öffentlich­keit die Sinnhaftig­keit der angedachte­n Maßnahmen nur ansatzweis­e zu erklären. „Kommunikat­ion zum Fürchten“, twitterte Ex-Kanzlerspr­echerin Heidi Glück, die dem türkisblau­en Projekt durchaus wohlwollen­d gegenübers­teht.

Bei der Reform der AUVA steht die Regierung vor einem Scherbenha­ufen. Während die Verantwort­lichen – auch aus Angst vor dem Macht- oder Jobverlust – gegen die angedrohte Zerschlagu­ng mobilisier­en, steht die Koalition mit dem Rücken zur Wand. Der Ball liegt bei der AUVA, die bis in den Herbst etwas vorlegen soll. o geht Politik sicherlich nicht. Wer komplexe Reformen angehen will, sollte die schnelle Schlagzeil­e vermeiden und stattdesse­n hinter den Kulissen Pflöcke einschlage­n, Druck ausüben, Kompromiss­e einfädeln. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellscha­ft steht der Gesundheit­sund Pflegebere­ich vor gewaltigen Herausford­erungen und jeder Experte weiß, dass die Mittel nicht überall effizient eingesetzt werden. Jenen Kreisen, die sicherstel­len wollen, dass unser Gesundheit­s- und Pflegesyst­em auch in zehn oder 20 Jahren die gewohnten Leistungen erbringt, hat Hartinger einen Bärendiens­t erwiesen.

S

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria