„Täglich muss mit Weisung aus Wien gerechnet werden“
Leserinnen und Leser sehen die Kärntner Koalition von SPÖ und ÖVP unter keinem guten Stern. Sowohl die vermutete Einflussnahme durch die Bundesregierung als auch Kaisers Gegenmaßnahmen geben Anlass zu Kritik.
Aufwecker „Fehlendes Vertrauen“,
9. 4., Interview „Neuer ÖVP-Chef: ,Bin kein Kurz-Vertrauter‘“, 7. 4.
Nach dem „Meuchelmord“an Mitterlehner durch Kurz und seine Hintermänner unterzeichnete Kurz die Vereinbarung mit der SPÖ, um sofort darauf Neuwahlen auszurufen. In Kärnten passiert nun Ähnliches: Die Kärntner VP beauftragt Benger mit Koalitionsverhandlungen, lässt ihn das Ergebnis mit Kaiser am 29. März präsentieren. Innerhalb weniger Stunden der „Meuchelmord“! Benger bekommt die „seidene Schnur bzw. die Pistole“frei Haus geliefert. Aus rein „privaten Gründen“tritt er zurück! Und sofort ein Ablenkungsmanöver: die bösen aufmüpfigen“Bürgermeister aus dem Bezirk Spittal! Aber die Sitzungen fanden dort schon am
16. und 23. März statt! Noch ein blödes Argument: Zeit für Verjüngung. Benger ist Jahrgang 1962! Woher die Weisung kam, das ist ja so schwer zu erraten. Dieselbe Kärntner VP kürt einige Tage später wacker einen neuen Obmann! Für Kaiser war es Zeit zu handeln, sonst wird Kärnten von Wien aus behandelt.
Gruber sagt, er sei kein KurzVertrauter! Das ist ja noch schlimmer. Schließlich muss nach diesem Fiasko täglich mit einer neuen Weisung über SMS, E-Mail oder Twitter aus Wien gerechnet werden: Blockade, Blockade! Oder: Ein neuer, Kurz-treuer Obmann oder eine solche Obfrau muss her – vielleicht will Frau Köstinger frustriert doch wieder zurück ins Lavanttal.
Ich bin mir sicher: Wenn diese Koalition zwei Jahre lang funktioniert, wird die derzeitige Verfassung wieder hergestellt.
Dr. Alfred Meschnigg, Villach
Wiener Verhältnisse
Na endlich, die Kärntner Politiker haben sich ganz an die Wiener angepasst! Bisher haben die Damen und Herren die Befehle aus der Bundeshauptstadt ohne Fragen oder gar Gegenwehr ausgeführt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Es geht aber noch extremer: Herr Benger verlässt nach abgeschlossenen Verhandlungen mit der SPÖ die Partei, Herr Gruber folgt auf dem Fuß. Er akzeptiert alle Vorgaben der SPÖ ohne Für und Wider, ohne Vorgespräche oder gar eigene Meinung! Wieder einmal eine Bumerang-Situation, die Herrscher bestimmen, die Mitläufer sagen zu allem ja (Hauptsache am Monatsende der Kontostand). In der Politik heißt diese Vorgehensweise Koalition!
Christine Madritsch, Görtschach
Zu viel Dominanz
Am 28. März fixieren die rotschwarzen Kärntner Verhandler die Zusammenarbeit mitsamt Referatsaufteilung, nur die Personalbesetzung bleibt offen und sollte wie üblich den Parteien intern überlassen werden. Plötzlich will die stärkere die schwächere Partei wegen deren Personalentscheidung knebeln und stellt nach Sacheinigung plötzlich neuerlich drei Bedingungen. Handschlagsqualität sieht bei mir anders aus.
Das in Bund und Ländern übliche Einstimmigkeitsprinzip bei Koalitionen aufzuheben, halte ich für verfassungs- und demokratiepolitisch äußerst bedenklich und gefährlich. Ein 48-Prozent-Wahlergebnis bei erschreckend geringer Wahlbeteiligung (wohl der berechtigten Politikverdrossenheit zuzuschreiben) entspricht nur 30 Prozent der Wähler und sollte nicht zu derartiger Dominanz führen, was wir in Ungarn, Polen usw. kritisieren.
Geht es nur um Machtrausch und Futtertrog? Ich vermisse den Aufschrei der Medien!
Dr. jur. Mario Hilse, Klagenfurt
Erbarmungswürdig
Die jetzt geschmiedete „Koalition“zeigt den erbarmungswürdigen Zustand der beteiligten Politiker. Die Wahlsieger haben nicht das Format, jemand anderen (der eventuell auch etwas einzubringen hätte) neben sich zu dulden. Den anderen fehlt der Mumm, sich dagegen zu wehren. Die Allein-Herrscher werden aber bald erkennen, ob sie ihr „Geschäft“beherrschen oder davon beherrscht werden. Das „Pleiteland“wird schon allein für sein Personal beim Bund wieder um Geld anklopfen müssen.
Ob es gut wäre, die FPÖ in eine Koalition einzubinden, ist eine Frage – aber „notwendig“wäre es vermutlich, um den Bund bei Laune zu halten, sonst könnte man bald wieder auf unüberwindliche „geologische“Verhältnisse stoßen.
Gerhard Sange, Feldkirchen
Tagesgespräch
Das bedenkenlose Niederknien der Kärntner VP vor den undemokratischen Erpressungen der SPÖ als „Entscheidung im Sinne der Kärntner“zu titulieren, ist ein weiteres Negativbeispiel dieser Partei. Die Kritik an den Entscheidungen der ÖVP kommt nicht nur von den „Gegstimmt
nern“, sondern ist das allgemeine Tagesgespräch in Kärnten. Zu den im Leserbriefbereich erschienen Bezeichnungen „Intrigantenstadel“und „Königsmörder“kommt nach diesem Interview die Bezeichnung „Märchenerzähler“hinzu.
Magdalena Kastner, Ferndorf
Strategisch ungünstig
Mit der parteiinternen Revolte und dem darauf folgenden Rücktritt des Landesrates Benger hat die Kärntner ÖVP nicht nur ihren eigenen Parteichef buchstäblich eliminiert, sondern sich in eine strategisch denkbar ungünstige Situation hineinmanövriert. Die von Landeshauptmann Kaiser angekündigte Verfassungsänderung, um künftig das Einstimmigkeitsprinzip bei Regierungsbeschlüssen außer Kraft zu setzen, stärkt die Position der Sozi- zusätzlich. Die Koalitionsregierung in Kärnten ist damit quasi eine SPÖ-Alleinregierung, die künftig ohne ihren Juniorpartner schalten und walten kann, wie sie möchte. Zu viel Macht in den Händen einer Partei hat bereits in der Vergangenheit nicht viel Gutes bewirkt. Ingo Fischer, Lavamünd
Hochstilisiert?
„Hausverbot für das Kopftuch“, 5. 4., LB „Integration erschöpft sich nicht im Kopftuch“, 8. 4. Religiöse „Vorschriften“scheinen nicht in allen islamisch geprägten Ländern die gleiche Beachtung zu finden. In Albanien beispielsweise (73 Prozent muslimisch) gibt es offenbar keine solchen Vorschriften oder sie werden nicht beachtet. Im Laufe von drei Albanienreisen durch fast alle Regionen und Städte des Landes habe ich eine einzige Kopftuchträgerin wahrgenommen. Und die Damenwelt hat keineswegs den Eindruck vermittelt, darob in Traurigkeit oder Furchtsamkeit zu leben. Ein hochstilisiertes Problem offenbar – auch in den Medien? Dr. Günther Antesberger,
Klagenfurt
Übermüdete Fahrer
„Pflegerinnen mit Taxi verunglückt“, 8. 4. Ich besuche im Rahmen der Hospiz schwerkranke Menschen, welche von 24-StundenPflegerinnen aus verschiedenen osteuropäischen Ländern betreut werden. Immer wieder haben diese erzählt, dass der Fahrer, welcher die ablösenden Pfleger bringt, die abgelösten in einer Fahrt mit nach Hause nehmen muss. Also fahren diese Chauffeure 16 bis 20 Stunden ohne größere Pause. Da wunaldemokratie dert es mich nicht, dass solche Unfälle passieren.
Nicht nur, dass diese Frauen ihre Familien verlassen, um den Unterhalt für ihre Angehörigen zu sichern, es wird auch ihr Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt, um den Profit der Vermittlungsorganisationen zu erhöhen. Sollten wir nicht dankbar sein, dass es die Möglichkeit gibt, unsere Pflegebedürftigen in ihrer gewohnten Umgebung belassen zu können, mit der Gewissheit, dass sie gut betreut sind? Silke Aichinger, Egg
Hoffnung
Vorerst soll ja nur die Polizei auf Pferde umsteigen. Ich hoffe, dass sich in den Reihen der neuen Kärntner Landesregierung auch Politiker befinden, die die Begriffe „Asphalt“und „Straßenzustand“kennen.
Rudolf Kleewein, Arnoldstein