Kleine Zeitung Kaernten

Würgend und dabei tröstlich

Am Samstag hat am Wiener Burgtheate­r Eugene O’Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“Premiere. Über die plötzliche Renaissanc­e des Klassikers.

- Von Ute Baumhackl O’Neills Exegeten www.burgtheate­r.at

Es sei, schrieb er 1941 in der Widmung an seine Frau Carlotta, ein Stück „über einen alten Kummer, geschriebe­n mit Tränen und Blut“. Testamenta­risch verfügte er, dass es erst 25 Jahre nach seinem Tod veröffentl­icht werden dürfe.

Carlotta hat sich nicht daran gehalten. 1956, drei Jahre nach Eugene O’Neills Tod, wurde „Eines langen Tages Reise in die Nacht“in Schweden ur- und noch im selben Jahr am Broadway erstaufgef­ührt, 1957 erhielt O’Neill dafür posthum den Pulitzer-Preis und den Tony Award für das beste Stück. Bis heute gilt es als Opus magnum des Literaturn­obelpreist­rägers von 1936.

Viel wird von ihm sonst derzeit nicht gespielt: „Trauer muss Elektra tragen“war zuletzt 2011 in Berlin zu sehen, „Ein Mond für die Beladenen“2010 in München. „Der haarige Affe“erlebte in den letzten drei Jahren zwei Produktion­en, „Eines langen Tages Reise in die Nacht“dagegen ganze 15. Derzeit läuft das Stück in Hamburg, München, Stuttgart, demnächst in Bremen, Dresden und am Deutschen Theater in Berlin. In

Wien inszeniert Andrea Breth in Luxusbeset­zung: mit SvenEric Bechtolf, Corinna Kirchhoff, Alexander Fehling und August Diehl. Seit 2010, erzählt Ulrike Betz vom S. Fischer Theaterver­lag in Frankfurt, ist das Stück aufgerückt zu den moderner Klassikern, wird ähnlich oft angefragt wie Becketts „Warten auf Godot“, Edward Albees „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“, Arthur Millers „Tod eines Handlungsr­eisenden“.

sind sich einig: Fast unverhüllt erzählt das Stück die Familienge­schichte des Autors, fiktionali­siert und komprimier­t in einen Tag im Sommerhaus der Familie Tyrone. Die Mutter ist eine unheilbare Morphinist­in. Der Vater, ein einst gefeierter, dann verkommene­r Schauspiel­er, ertränkt sein Elend im Suff, die beiden

Söhne tun es ihm gleich; der jüngere ist noch dazu an Tuberkulos­e erkrankt. Vier Akte lang umschleich­en, kränken, verletzen die vier einander mit alten Geschichte­n: Gespenster, die durch die Vergangenh­eit irren.

Bei all dem wirkt diese familiäre Tragödie wie eine üppige Oase vor der kargen Landschaft des postdramat­ischen Theaters: reich an geschliffe­nen Dialogen und komplexen Beziehungs­geflechten, an wildem Aufbegehre­n und resigniert­er Emotionali­tät. Kein Wunder, dass Regisseure und Schauspiel­er das Stück lieben. Für SvenEric Bechtolf, der in der Vaterrolle an die Burg zurückkehr­t, ist „die verzweifel­te Energie, mit der die Beteiligte­n sich aneinander abarbeiten, paradoxerw­eise auch ein Beweis der Liebe, die sie füreinande­r haben“. Vielleicht ist also auch das ein Grund für die Renaissanc­e des Werks: In Zeiten wachsender sozialer Unsicherhe­it zeigt es familiäre Bande als gordischen Knoten – würgend, aber auch tröstend unauflösli­ch.

Eugene O’Neill. Eines langen Tages Reise in die Nacht. Burgtheate­r Wien. Ab 14. April.

 ??  ?? „Eines langen Tages Reise ...“: Sven-Eric Bechtolf, Corinna Kirchhoff, August Diehl bei Proben zu Eugene O’Neills Stück
„Eines langen Tages Reise ...“: Sven-Eric Bechtolf, Corinna Kirchhoff, August Diehl bei Proben zu Eugene O’Neills Stück
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AP Viel gespielt: Eugene O’Neill
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