Kleine Zeitung Kaernten

Der neue Kalte Krieg

Lange kultiviert­e US-Präsident Trump seine Freundscha­ft mit Kreml-Chef Putin. Doch plötzlich wird Russland zum Feind für das Weiße Haus.

- Eine zwingende Erklärung

Gerade drei Wochen ist es her, dass Donald Trump zum Telefonhör­er griff, um den russischen Präsidente­n Wladimir Putin nach seinem Sieg bei den von Unregelmäß­igkeiten überschatt­eten Wahlen anzurufen. „NICHT GRATULIERE­N!“, hatten seine Sicherheit­sberater ihm in Großbuchst­aben auf den Sprechzett­el geschriebe­n. Der US-Präsident tat das Gegenteil. „Das war ein sehr gutes Gespräch“, schwärmte er: „Vielleicht treffen wir uns in nicht allzu ferner Zukunft.“Der Kreml berichtete gar von einer Einladung ins Weiße Haus.

Am Donnerstag nun präsentier­te sich Trumps neuer Außenminis­ter Mike Pompeo im US-Senat. Der Präsident habe Russland eindeutig „als eine Gefahr für unser Land“identifizi­ert, berichtete er. Moskau sei in der Vergangenh­eit durch Nachgiebig­keit zu Aggression­en ermuntert worden. „Damit ist es jetzt vorbei“, sagte der CIA-Direktor. Das klang wie ein Nachhall des Trump-Tweets vom Vortag. „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschieß­en, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach dich bereit, Russland, denn sie werden kommen“, hatte er gedroht.

Der Stimmungsu­mschwung wirkt radikal: Seit seinem Amtsantrit­t hat Trump seinen russischen Amtskolleg­en gleichsam mit Samthandsc­huhen angefasst. Er polterte über den chinesisch­en Staatschef, die deutsche Kanzlerin und Minister seines Kabinetts. Aber Putin bedachte er mit keinem einzigen bösen Tweet. US-Zeitungen schrieben über die „Bromance“, die Männerfreu­ndschaft, der beiden autoritär veranlagte­n Politiker. Nun twittert Trump plötzlich: „Unsere Beziehung mit Russland ist schlechter, als sie es jemals war.“Er droht mit einem Militärsch­lag, der Moskau unmittelba­r provoziere­n würde. Ein neuer Kalter Krieg scheint zum Greifen nah.

für diesen politische­n Temperatur­sturz hat niemand in Washington. Ein mögliches Motiv aber hat Trump selbst angedeutet. „Vieles von dem bösen Blut mit Russland wurde durch die falschen und korrupten Russland- verursacht, die von Anhängern der Demokraten betrieben werden“, twitterte er. Das ist zwar faktisch falsch: Sämtliche Verantwort­liche bei den Untersuchu­ngen einer Einmischun­g Moskaus in den US-Wahlkampf sind langjährig­e Republikan­er. Und inhaltlich besteht zwischen den Aktivitäte­n russischer Trolle zur Diffamieru­ng von Hillary Clinton und amerikanis­chen Raketenang­riffen auf Russlands Verbündete in Syrien kein erkennbare­r Zusammenha­ng.

Doch möglicherw­eise hat Trump, der bei Twitter oft ungefilter­t seine Stimmungsl­age ausbreitet, unbewusst eine Spur gelegt. US-Medien berichten, wie es ihn seit Monaten zunehmend frustriert, dass er die Russland-Affäre nicht loswird. Der Eindruck, dass der Milliardär die Präsidents­chaftswahl­en 2016 mit der Hilfe Moskaus gewonnen hat, hängt ihm wie ein Klotz am Bein.

Gleichzeit­ig rücken die Untersuchu­ngen des Sonderermi­ttlers Robert Mueller immer näher an ihn und seine zweifelhaf­ten Geschäfte heran. Die Durchsuchu­ng bei seinem Anwalt ließ seinen Puls rasen. Möglicherw­eise entlud sich der Furor über ein paar Ecken am vermeintli­chen Anlass des ganzen Ärgers. Nach MedienbeEr­mittlungen

Ich habe niemals gesagt, wann ein Schlag gegen Syrien stattfinde­n würde. Es könnte bald oder gar nicht so bald sein.

US-Präsident Donald Trump via Twitter

richten ist Trump tatsächlic­h deutlich mehr über die Razzia wegen dubioser Schweigege­ldzahlunge­n an seine Ex-Affäre Stormy Daniels aufgebrach­t als über den mutmaßlich­en Giftgasein­satz. Der Präsident soll hinter verschloss­enen Türen stundenlan­g geschäumt haben. Die „New York Times“zitiert zwei Augenzeuge­n, die von einer „Kernschmel­ze“sprechen.

Doch auch eine andere Erklärung ist denkbar: Die Beziehung von Putin und Trump ist die von zwei Machos, bei denen der Amerikaner sich immer als der größere Silberrück­en fühlte. „Russland braucht uns für seine Wirtschaft“, erklärte er gönner- haft. Aber Putin verfolgt in Syrien eigene Interessen. Beide seien sich einig, „dass rasche Schritte zur Beilegung des Konfliktes erforderli­ch sind“, hatte es nach dem Telefonat im März noch in Moskau geheißen. Vielleicht hat der Giftgasans­chlag Trump einfach überrascht, vielleicht fühlt er sich von Putin getäuscht. Bei einem Narzissten sind viele Erklärunge­n denkbar.

Am Donnerstag jedenfalls relativier­te Trump seinen strategiel­osen Wutausbruc­h spürbar: „Ich habe niemals gesagt, wann ein Schlag gegen Syrien stattfinde­n würde. Es könnte bald oder gar nicht so bald sein“, erklärte der US-Präsident nun.

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APA US-Präsident Donald Trump schwört seine Soldaten ein
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Karl Doemens aus den USA
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