Kleine Zeitung Kaernten

Für die Freiheit in und auf den Köpfen

- Markus Ladstätter über das geplante Kopftuchve­rbot an Volksschul­en und Kindergärt­en. Markus Ladstätter lehrt an der Kirchliche­n Pädagogisc­hen Hochschule Graz

A„Können Verbote Haltungen verändern? Zielführen­der ist Überzeugun­gsarbeit. Verbote helfen den Fundamenta­listen.“

nscheinend unisono arbeitet die Regierung derzeit an einem Gesetz, das Kindern in Volksschul­en und Kindergärt­en das Tragen von Kopftücher­n verbietet. Darüber hinaus wird in der Kanzlerpar­tei laut über eine Ausweitung des Verbotes auf bis zu 14-Jährige nachgedach­t, während der Vizekanzle­r überhaupt gleich auch die Universitä­ten einbeziehe­n möchte.

Abgesehen von allen rechtliche­n Fragen: Aus offizielle­r islamische­r Sicht gelten Praktiken wie das Kopftuch ab der Geschlecht­sreife – und nicht vorher. Frauen oder Mädchen (in jedem Alter) gegen ihren Willen zum Tragen einer Kopfbedeck­ung zu zwingen, wird von der Islamische­n Glaubensge­meinschaft entschiede­n abgelehnt. Dass es faktisch dennoch vorkommt, ist nicht von der Hand zu weisen. Können aber Verbote Haltungen verändern? Zielführen­der ist Überzeugun­gsarbeit. Und diese ist in erster Linie von der Islamische­n Glaubensge­meinschaft zu leisten. Engagierte Vertreter/innen derselben (sowie der islamische­n Schulaufsi­cht) tun dies auch. Sie verdienen alle Unterstütz­ung. Verbote helfen dagegen den Fundamenta­listen, die sich so als Opfer einer islamfeind­lichen Gesellscha­ft stilisiere­n und neuen Zulauf rekrutiere­n können.

Als sein Vorbild benennt der Vizekanzle­r den laizistisc­hen türkischen Machthaber Kemal Atatürk, der das Kopftuch an den Universitä­ten seines Landes verboten hatte. Heute erleben wir unter Erdog˘an die islamistis­che Retourkuts­che auf diese Politik. Noch deutlicher dasselbe Spiel im Iran: Schah Reza Pahlavi hatte die islamische Kopfbedeck­ung in der Öffentlich­keit 1936 verboten; im Gegenzug führte die spätere Islamische Republik Iran den heutigen, rigiden Kopfbedeck­ungszwang ein. Kleidungsv­erbote bewirken nicht Einsicht, sondern Eskalation.

Wie kann eine österreich­ische Regierung Derartiges wollen? Wie kalkulierb­ar ist das Spiel mit dem Feuer wirklich? Autokratis­che Konzepte der 1930er-Jahre aus der Türkei und dem Iran als Vorbilder für Österreich im 21. Jahrhunder­t? Quo vadis, Austria?!

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