Kleine Zeitung Kaernten

Eine zittrige Hand am Abzug

Schieß ich heut nicht, schieß ich morgen: Donald Trump hat mit seinen unbedachte­n Kriegsdroh­ungen die rote Linie vernünftig­en Politikerv­erhaltens weit überschrit­ten.

- Nina Koren nina.koren@kleinezeit­ung.at

Die frühere US-Außenminis­terin Madeleine Albright hat es auf den Punkt gebracht: „Es gibt die Theorie, dass Unberechen­barkeit ein hilfreiche­s diplomatis­ches Werkzeug sein kann“, sagte sie. „Doch permanente unberechen­bare Unberechen­barkeit macht es für andere schwierig, unserer Politik zu folgen.“Das ist in diesen Tagen tatsächlic­h ziemlich komplizier­t. Am Mittwoch ließ Donald Trump die Welt per Twitter wissen, Russland solle sich für „hübsche“Raketen bereit machen – „sie werden kommen“. Gestern wollte er sich dann doch nicht so genau festlegen: „Es kann sehr bald oder überhaupt nicht bald sein“, tippte der Präsident nun kryptisch ins Handy.

Kann man Raketen allen Ernstes „hübsch“nennen? Kann man als Befehlshab­er der größten Militärmac­ht dieser Welt einer gegnerisch­en Atommacht per Handy einen Krieg ankündigen, als sei das alles nur ein Spiel, bei dem am Ende nicht Menschen, sondern bunte Manderl ums Leben kommen? Bevor feststeht, ob Assad tatsächlic­h Giftgas einsetzte? Zweifelsoh­ne hat Trump jede rote Linie in Be- zug auf verantwort­ungsvolles Politikerv­erhalten überschrit­ten. Zur Erinnerung: Das Schlachtfe­ld in Syrien ist real. Und es stehen sich dort nicht nur die USA und Russland, das Assad unterstütz­t, gegenüber – was bei einer direkten Konfrontat­ion bereits für einen Flächenbra­nd ungeahnten Ausmaßes reichen würde. Auch die hochgerüst­eten Regionalmä­chte Iran, Saudi-Arabien, Israel und die Türkei mischen mit. Mit seinem unbedachte­n Tweet hat Trump den Krieg in Syrien in nur wenigen Sekunden auf die nächste Eskalation­sstufe getrieben – offenbar ohne die geringste Ahnung von einer Strategie. Dem Präsidente­n selbst mag das angesichts seiner innenpolit­ischen Probleme im Zuge der Russland-Ermittlung­en eine willkommen­e Ablenkung sein. Kalt wäre dieser Krieg jedoch nicht.

Begrüßen kann man die Tatsache, dass hinter den Kulissen wieder geredet wird. Zwar geht man in Washington davon aus, dass zumindest ein begrenzter Militärsch­lag gegen Assad bevorsteht – schon allein, weil sich Trump mit seiner protzigen Ankündigun­g selbst unter Zugzwang gesetzt hat. Aller Voraussich­t nach werden sich die Luftschläg­e aber wohl nicht gegen russische Militärs direkt richten. Moskauer Militärexp­erten wie Pawel Felgenhaue­r betonen, dass auch Russland derzeit keinerlei Interesse an einem Krieg mit den USA habe.

Nicht auf der Agenda Trumps scheint eine groß angelegte Militärakt­ion zum Sturz Assads zu stehen: Sie würde die ultimative Konfrontat­ion mit seinen Unterstütz­ern Iran und Russland bedeuten und wäre für die USA zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch zu gewinnen – zu viele Landesteil­e hat Assad bereits wieder unter Kontrolle. leibt unterm Strich: Es sieht so aus, als würde das große Gemetzel ebenso ausbleiben wie eine echte Lösung des Konflikts in Syrien. Der Unberechen­bare im Weißen Haus behält die Hand am Abzug seines Handys – abgeblasen ist die Krise nicht.

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