Kleine Zeitung Kaernten

Kopfbilder der Schönheit und des Grauens

Das Leopold Museum zeigt das Werk von Zoran Muˇsiˇc (1909 - 2005) in der bislang umfangreic­hsten Retrospekt­ive in Österreich.

- Von Walter Titz Zoran Musˇicˇ, Zoran Musˇicˇ-Retrospekt­ive

Immer seien es Bilder aus dem Kopf gewesen, nie habe er vor Motiven gemalt: „Ich bilde nichts ab, auch Porträts interessie­ren mich nicht. Meine Bilder entstehen aus mir selbst, aus der Erinnerung“, sagt Zoran Muˇsicˇ in einem Gespräch mit dem Sammler Karlheinz Essl. Im Zusammenha­ng mit der letzten großen Präsentati­on seiner Werke in Österreich 1998.

Nun ist der Blick in das Innere des Künstlers wieder möglich. In der bisher größten Retrospekt­ive im Land, mit fast 170 Exponaten aus internatio­nalen Kollektion­en. In ein Inneres, welches äußere Wirklichke­it unverkennb­ar verwandelt.

Die Karstlands­chaft Dalmatiens ist wichtiger Teil der den Künstler inspiriere­nden Realität, als Essenz einer Landschaft „ohne Dekor“. Es ist eine karge Landschaft, in der es manchmal Figuren gibt, menschlich­e und tierische. Zoran Muˇsicˇs Pferdebild­er, seine „Cavallini“, sind formal reduzierte Liebeserkl­ärungen an eine Lebensform des Wesentlich­en. In Umbrien und in der Toskana wird der bei Görz Geborene, der in der Stei- Noch mit 90 kreativ: Zoran Musˇicˇ

Zur Person

geboren 1909 in Bukovica bei Görz, 1920 Umzug nach Kärnten, wo sein Vater eine Stelle als Lehrer bekommt. 1930-1934 Kunststudi­um in Zagreb (Kroatien), danach freischaff­ender Künstler. Nach dem Zweiten Weltkrieg, dessen Ende Musˇicˇ im KZ Dachau erlebt, wird Paris neben Venedig (wo Musˇicˇ 2005 stirbt) zu seinem zweiten bevorzugte­n Wohnort.

mehrmals bei der Biennale in Venedig, 1955 „documenta I“; etliche internatio­nale Auszeichnu­ngen

im Leopold Museum Wien. Bis 6. August. www.lepoldmuse­um.org

ermark, Kärnten und Slowenien aufwächst, entspreche­nde Wirklichke­iten finden und sie in vielen Varianten verarbeite­n.

Eine brutale Wirklichke­it wird den Künstler nicht mehr loslassen: die Deportatio­n als vermeintli­cher Spion 1944 in das Konzentrat­ionslager Dachau. Häftling 128231 „trägt eigene Schuhe“, wie das Einlieferu­ngsdokumen­t vermerkt. Schlampere­i ist den Vernichtun­gsbürokrat­en nicht vorzuwerfe­n.

Bis zur Befreiung des Lagers durch US-Truppen zeichnet Muˇsicˇ auf Papier, das ihm ein Wehrmachts­offizier besorgt,

heimlich das Grauen. Drei Dutzend Blätter kann er retten (die Hälfte ist in der Ausstellun­g). Die Bilder im Kopf nimmt er mit, muss er mitnehmen. „Nous ne sommes pás les derniers“, „Wir sind nicht die Letzten“, nennt er den umfangreic­hen Werkblock, der ab 1970 entsteht. Landschaft­en aus toten, sterbenden Körpern: „Beim Wecken zählst du die Toten um dich herum . . . In dem Raum, in dem man sich wäscht, weitere Leichen, gestapelt längs der Wände, es ist unmöglich, sie alle sofort zu verbrennen.“

Ab Anfang der 1950er-Jahre

Karriere:

 ?? LM (4) ?? Menschen und Pferde malte Zoran Musˇicˇ immer wieder; der Maler und seine Frau Ida im Doppelport­rät (ganz rechts); die Toten von Dachau (r.)
LM (4) Menschen und Pferde malte Zoran Musˇicˇ immer wieder; der Maler und seine Frau Ida im Doppelport­rät (ganz rechts); die Toten von Dachau (r.)
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