So radikal baut Volkswagen den Konzern um
Der neue Vorstandschef Herbert Diess wird mit großer Macht ausgestattet. Zudem führt VW vier neue Markengruppen ein.
Der weltgrößte Autobauer vollzieht den größten Umbau seiner Geschichte. Eine Reihe tief greifender Veränderungen wurde gestern Abend vom 20-köpfigen Aufsichtsrat beschlossen. Die Weichen wurden freilich schon zuvor im sechs Personen großen Präsidium mit den Spitzenvertretern der Eignerseite – den Familien Porsche und Piëch sowie dem Land Niedersachsen – und den obersten Arbeitnehmervertretern gestellt. Details und Hintergründe werden heute in einer Pressekonferenz ab 10.30 Uhr bekannt gegeben. Die großen Richtungsentscheidungen wurden – nach den zahllosen Spekulationen der vergangenen Tage – nun aber auch offiziell bekannt gemacht.
Die Ablöse von Vorstandschef Matthias Müller durch den Österreicher Herbert Diess ist dabei nur so etwas wie die Spitze des Eisbergs. Wobei Müller seinen Vorstandsvertrag behält und trotz Abgang als Konzernchef weiter in Diensten des Autobauers stehen soll. Sein Vorstandsvertrag läuft bis Februar 2020, eine Vertragsauflösung mache keinen Sinn, da die Abfindung so hoch wäre wie der
laufende Vertrag. Es werden aber noch weitere personelle Wechsel vollzogen. Einkaufsvorstand Francisco Garcia Sanz geht auf eigenen Wunsch, Personalchef Karlheinz Blessing wird von Gunnar Kilian abgelöst. Porsche-Chef Oliver Blume rückt zum ordentlichen Konzernvorstand auf und verantwortet die „Konzernproduktion“, Audi-Chef Rupert Stadler den „Konzernvertrieb“.
Der personelle Umbau geht mit dem des Konzerns einher. Eingeführt werden die Markengruppen „Volumen“(VW, Sˇkoda, Seat), „Premium“(Audi) und „Super Premium“(Porsche, Bentley, Bugatti, Lamborghini), wie das Unternehmen mitteilt.
Für die Nutzfahrzeugeinheit Truck & Bus werden die Voraussetzungen geschaffen, diese an die Börse zu bringen. Der Konzern wird zudem in sechs Geschäftsfelder und die Region China gegliedert. Dadurch soll Volkswagen übersichtlicher und besser steuerbar werden.
Chef des umsatzstärksten Bereichs „Volumen“wird der neue Mann an der Konzernspitze, der auch noch die „Konzernentwicklung und -forschung“verantwortet: Herbert Diess. Dessen Machtfülle wird damit enorm sein. Dem seit 2015 amtierenden Müller wurde intern noch Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Die Art der Ablöse des Vorstandsvorsitzenden löste dennoch Rumoren aus: Betriebsräte und Manager fühlten sich „überrollt“, heißt es. „Keiner wusste was, das ist der helle Wahnsinn, was sich da abspielt“, sagt ein Insider. Davon zeugt auch diese Episode, die in deutschen Medien ausgebreitet wurde: VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch soll die Vorstände gerade über den Chefwechsel informiert haben, da demonstrierte Diess bereits seine Macht: Im Beisein Müllers legte er demnach seine eigenen detaillierten Pläne auf den Tisch. Das Vorpreschen habe seine Kollegen vor den Kopf gestoßen, hieß es.
Der einflussreiche Betriebsrat bei VW sieht seine Machtposition gesichert, indem der bisherige Generalsekretär und Vertraute von Betriebsratschef Bernd Osterloh, Gunnar Kilian, neuer Personalvorstand wird. „Unsere Position ist so stark wie nie“, so ein Arbeitnehmervertreter. Bei den Beschäftigten sorgte jedoch die unvermittelte Kommunikation des Führungsumbaus für Verärgerung. Sie wurden am Dienstag von einer Pflichtmitteilung kalt erwischt, die VW herausgeben musste, weil eine Zeitung den Plan erfahren hatte.