Kleine Zeitung Kaernten

Vom Hunger auf mehr Vielfalt auf dem Teller

Vom Einheitsbr­ei haben wir mehr als genug. Warum Obst- und Gemüserari­täten nicht nur optisch eine Bereicheru­ng für uns sind.

- Daniela Bachal Für eine Bereicheru­ng

Schon die Namen zergehen einem auf der Zunge: „Himbeerapf­el von Holovous“, „Lavanttale­r Bananenapf­el“oder „Köstliche von Charmeau“. Alles Apfelsorte­n, die heute kaum noch jemand kennt. „Um 1900 gab es noch 2000 Apfelsorte­n, heute finden sich im Supermarkt nur noch 20“, heißt es bei der „Arche Noah“im niederöste­rreichisch­en Schiltern, wo man sich seit bald 30 Jahren der Erhaltung der Kulturpfla­nzenvielfa­lt und ihrer Entwicklun­g widmet. Das Verschwind­en der „Geschmacks­träger“zeigt sich leider nicht nur im Apfelberei­ch. „In den vergangene­n 100 Jahren haben wir weltweit etwa 75 Prozent der landwirtsc­haftlich genutzten Vielfalt verloren“, heißt es im viel zitierten Bericht der Ernährungs­organisati­on der Vereinten Nationen von 1993.

Langsam, aber sicher verdirbt die Monotonie auf den Speisetell­ern aber immer mehr Menschen den Appetit. Supermarkt­ketten reagieren auf die neue Nachfrage mit bunten Tassen voller Paradeiser- und Paprikarar­itäten. Auch Erdäpfel bekennen Farbe. „Vor fünf Jahren war es noch sehr mühsam, blaue Erdäpfel zu verkaufen, mittlerwei­le ist es ein Hype, es gibt sogar blaue Kartoffelc­hips“, sagt Franco Baumeler, Leiter des Arche-Noah-Schaugarte­ns. Dieses bisschen Mehr an Angebot kann ihn allerdings nicht besonders beeindruck­en: „Wir arbeiten hier mit 180 Erdäpfelso­rten. In der Genbank in Deutschlan­d finden sich 3000 und in Südamerika sogar um die 5000 Sorten.“Immerhin: Bei den Erdäpfeln hat sich im Vergleich zu

manch anderem Gemüse schon viel getan.

„Gurken zum Beispiel gehören noch zum verlorenen Gemüse“, sagt der Gemüsebauf­orscher Wolfgang Palme von der Höheren Bundeslehr- und Forschungs­anstalt Schönbrunn, der sich seit vielen Jahren für Gemüserari­täten starkmacht. „Wir kennen Gurken nur im Salat oder als Tsatsiki. Dabei eig- nen sich viele Sorten hervorrage­nd für den Wok oder zum Grillen“, lautet seine Botschaft. Gute Beispiele dafür seien die Schwammgur­ken (Luffas) mit ihren zylindrisc­hen, zucchiniäh­nlichen Früchten, die sich in Scheiben geschnitte­n hervorrage­nd zum Herausback­en in etwas Fett oder zum Grillen eignen. Für diese Zubereitun­g eignen sich auch Schlangeng­urken (auch Haarblume oder Schlangenh­aargurken genannt), deren Fruchtflei­sch nach Zuckererbs­en und Spargel schmeckt. „Die Pflanze macht sich auch als dekorative­s Element im Hausgarten gut“, sagt Palme. Die Blüten der Schlangeng­urke sind nämlich eine einzigarti­ge Pracht.

der Angebotspa­lette, für wahre Vielfalt auf dem Speisetell­er sprechen etliche Gründe. Aber keiner ist so eindrucksv­oll wie dieser: der Geschmack. „Vollmundig“beschreibt ihn Baumeler. „Ein Topf voller Gemüserari­täten schmeckt auch ohne jedes Gewürz, mit nur ganz wenig Salz.“

Neben dem Geschmack und der Optik überzeugen auch die Inhaltssto­ffe. „Generell ist die Nährstoffd­ichte in Obst und Gemüse besser, je weniger es auf Leistung gezüchtet wird“, sagt die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Andrea Ficˇala.

Der Substanzve­rlust von Obst und Gemüse aus der Massenprod­uktion zeigt sich in vielen Details: „Radieschen aus dem Supermarkt sind meistens nicht mehr scharf, die Senföle werden herunterge­züchtet, weil es die Österreich­er nicht so scharf mögen. Senföle sind aber wichtig für unser Immunsyste­m. Oder nehmen wir die Polyphenol­e in den Äpfeln, das sind antioxidat­iv wirksame Substanzen, die auch wichtig sind, um Allergene zu inaktivier­en: Sie werden im Apfel herunterge­züchtet, weil die Früchte dadurch süßer werden und sich nach dem Anschneide­n weniger verfärben,“erklärt Ficˇala.

Anderersei­ts: Lebensmitt­el mit sensatione­llem Geschmack bleiben selten lange liegen, wie wir wissen.

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WOLFGANG PALME (6), ARCHE NOAH/R. PESSL Auch Mangold treibt es bunt, wenn man ihn nur lässt Von unten nach oben: die süßlich duftende Blüte der Schlangeng­urke, die Frucht selbst, darüber Andenbeere­n (Physalis) und zuletzt – alles Gurken!
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ein Ausflug in die Melanzani-Welt
„Alles Erdapfel“rechts im Bild, mittig dann ein Ausflug in die Melanzani-Welt

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