Wer ist heute Gottlieb Biedermann?
Wie einer 12-Jährigen erklären, dass der Präsident einer Weltmacht Raketen als „nett“bezeichnet?
Irgendwann tritt er ein – der Gewöhnungseffekt. In einer Welt, die sich permanent in den atemlosen Ausnahmezustand twittert, verliert irgendwann selbst Bedrohliches die Bedrohlichkeit. Wie auch der Sensationseffekt nach allen bisher bekannten Affären des US-Präsidenten geringer wird. Letztere sollten auch dorthin verräumt werden, wo sie hingehören: ins Wohnzimmer der Trumps. Was nicht verräumt werden kann, ist die Frage, die diese Woche nicht nur alle Kommentatoren stellten, sondern auch eine 12-Jähri- ge. „Wie kann ein solcher Mann Raketen als ,nett‘ bezeichnen?“, fragte sie ihre Lehrerin. Ein „solcher Mann“sollte wohl ausdrücken, dass da der Präsident einer Weltmacht über Twitter ankündigte, dass „sie (Raketen) kommen werden, nett und gut und smart“. Also was antworten? Die Lehrerin antwortete spontan. Dieser Mann sei ein Idiot, der sich nicht in der Hand habe. Worauf das Mädchen sagte, dass er dann aber gefährlich sei.
Kommentatoren haben ja diese Woche weltweit beruhigt. Die Lage sei nicht wirklich bedrohlich, alle wüssten, dass Trump eben Trump sei. Dass es mit Bluff um übliche Abschreckungsspiele ginge und wir bei einer Präsidentin Hillary Clinton mit ihrer Abneigung gegen Russland heute „noch näher an einem Atomkrieg“stünden.
Atomkrieg? Neuer Weltkrieg? Beides wird atemlos analysiert und die nächste Twittermeldung erwartet. Erinnert an ein Theater, nur sitzen wir nicht im Theater und sehen „Biedermann und die Brandstifter“. Jenen Gottlieb Biedermann, der Brandstifter ins Haus lässt, die Benzin horten, von Zündkapseln sprechen und der sich trotz Angst einredet, dass sie keine Brandstifter sind. Und der lacht, als einer sagt, die drittbeste Tarnung sei der Witz, die zweitbeste Sentimentalität, die beste aber die blanke, nackte Wahrheit. Letztere glaube niemand.