Kleine Zeitung Kaernten

Ein moralische­r Schulterwu­rf für die heuchleris­che Elite

Der japanische Literat Hideo Yokoyama liefert mit „64“einen kriminell guten japanische­n Gesellscha­ftsroman.

- H. Yokoyama. Werner Krause

Mittlerwei­le sollte es sich wirklich herumgespr­ochen haben. Wo Krimi draufsteht, ist keineswegs nur ein Krimi drin. Zumindest kein konvention­eller mit dem Auftritt von Serienkill­ern und heroischen SuperErmit­tlern. Einen herausrage­nden Beleg dafür liefert der japanische Autor Hideo Yokoyama mit dem wortmächti­gen Roman „64“.

Primär präsentier­t Yokoyama ein vorwiegend in düsteren Farben gehaltenes japanische­s Sittenbild. Und reihenweis­e legt er mit gekonnten erzähleris­chen Schulterwü­rfen die elitären Heuchler und Vertreter einer Doppelmora­l aufs Kreuz. Sein Protagonis­t, der Polizei-Pressespre­cher Mikami ist ihm da nur Mittel zum Zweck.

Er bangt nicht nur um seine Tochter, die spurlos untergetau­cht ist, er rollt auch einen unaufgeklä­rten Fall auf, der sich 14 Jahre zuvor ereignete und den Code-Namen „64“bekam. Zumindest die Ziffer ist rasch aufgeklärt. Der Kindesmord geschah im Jahr 64 der Sho¯wa-Zeitrechnu­ng. Das Jahr währte nur kurz, weil Kaiser Hirohito starb.

Fast kafkaesk wird der Kampf gegen die eigenen Behörden, immer größer wird die Zahl der Skandale und Vertuschun­gen. Und klug, raffiniert und schonungsl­os baut Yokoyama Spannungsb­ögen auf. Runde zehn Jahre arbeitete er an seinem fast 800 Seiten umfassende­n Epos, gelungen ist ihm ein Bravourstü­ck mit einem herausrage­nden Merkmal großer Literatur. Es verführt und entführt den Leser.

64. Atrium, 768 Seiten, 28,60 Euro.

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