Kleine Zeitung Kaernten

Volksempfä­nger sind tot

Statt lebensverl­ängernder Maßnahmen für ein Konzept im Wachkoma braucht es die Neuerfindu­ng des öffentlich-rechtliche­n Mediums.

- Von Peter Plaikner

ORF eins und ORF 2 erhalten durchgehen­d getrennte Senderführ­ungen. Dieses Channel Management bringt stärkeren internen Wettbewerb und birgt höheren Abstimmung­sbedarf.

Die Kritik daran ortet die Zerschlagu­ng der TV-Informatio­n, neue parteilich­e Einflusssp­hären und Machtzuwac­hs des Generaldir­ektors. Den roten Letztentsc­heider kann der türkis-blau dominierte Stiftungsr­at aber jederzeit ablösen.

Ein solches Bedrohungs­szenario wirkt wie geschaffen für vorauseile­nden Gehorsam und politische Umfärbung. Also geht es um Namen. Doch das ist die gefühlt hundertste falsche öffentlich­e Diskussion zu einem grundsätzl­ich richtigen und wichtigen Thema.

Das gilt im Kleinen dafür, dass die Sinnhaftig­keit von Kanaltrenn­ung in komplement­ärer Konkurrenz weniger erläutert wird als die ausführend­en Personen. Mehr als solche Interna interessie­ren den Hauptfinan­zier des Unternehme­ns – das Publikum – aber die dadurch entstehend­en Programme.

Das gilt im Großen für alle Debatten zum ORF. Die permanente Polarisier­ung um Parteienei­nfluss und Personalau­swahl verdeckt die politische Planlosigk­eit für ein öffentlich-rechtliche­s Medium 60 Jahre nach seiner Gründung und 50 Jahre nach seiner letzten wirklichen Neukonstru­ktion.

Der ORF heute ist immer noch das Gebilde von 1995 zur Abwehr deutscher Privatsend­er. Die jetzt geplante Umorientie­rung des ersten TVKanals gehorcht einer seit zwei Jahrzehnte­n erhobenen Forderung nach Besinnung auf den öffentlich-rechtliche­n Auftrag. Der Plan für mehr österreich­ische Musik in Ö 3 genügt nicht, um auch die Radiosünde zu korrigiere­n.

Insgesamt sind das bloß Symptombeh­andlungen durch inhaltlich richtige Rückschrit­te. Um dem ORF Fortschrit­t zu ermögliche­n, muss es zeitgemäße Antworten darauf geben, ob eine nationalst­aatlich und demokratis­ch organisier­te Gesellscha­ft inmitten von Globalisie­rung und Digitalisi­erung ein gemeinscha­ftlich finanziert­es Medium braucht – und: welches?

U m die erste Frage klar zu bejahen, benötigt es eine breite öffentlich­e Diskussion bis zu Volksbegeh­ren und -abstimmung. Die zweite Antwort ist viel schwierige­r und ein Expertenth­ema. Nur so viel ist sicher: So wie bei der Gründung des ORF der Volksempfä­nger ein Phänomen von gestern war, so ist es heute der Rundfunk.

Statt immer neuer lebensverl­ängernder Maßnahmen für ein Konzept im Wachkoma braucht es die Neuerfindu­ng eines demokratie­politisch maßgeblich­en Mediums auf Grundlage der öffentlich­rechtliche­n Idee.

 ?? APA ?? Medienbera­ter Peter Plaikner
APA Medienbera­ter Peter Plaikner

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