Zwischen Drohung und Diplomatie
Der Nebel des Militärangriffes lichtet sich. Doch wie geht es nun weiter in Syrien und im Verhältnis der Großmächte?
Den syrischen Machthaber Baschar al-Assad bringen Raketenangriffe zumindest offiziell nicht aus der Ruhe. Auch weil er mächtige Freunde in Teheran und Moskau hinter sich weiß. Die Frage ist nun: Was bedeuten die Militärschläge für die Beziehungen zwischen den USA und Russland? Gehen sie so folgenlos in die Geschichte ein wie die Marschflugkörper vor einem Jahr?
Zuvor waren sich Politiker und Experten sicher, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen Washington und dem Kreml kommen werde. Nun ist der Tenor in Moskau ein anderer, auch weil die US-Regierung doch gemäßigter als angenommen reagierte. Aus Moskauer Sicht ist der Militärschlag verpufft. Nicht einmal russische Stellungen seien angegriffen worden, die syrischen Streit- hätten die Raketen mit jahrzehntealter Sowjettechnik schnell vom Himmel geholt. Auch der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow hält eine direkte militärische Konfrontation für höchst unwahrscheinlich. „Die Ziele wurden sorgfältig ausgewählt, sodass die Situation nicht außer Kontrolle geraten wird“, sagte der Herausgeber der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“.
Der Westen setzt nach den Raketenangriffen auf Diplomatie und Drohungen zugleich. Die USA, Frankreich und Großbritannien legten nach ihren Luftangriffen einen neuen Resolutionsentwurf im UNSicherheitsrat vor. Sie fordern darin eine unabhängige Untersuchung der Giftgasvorwürfe und rufen Damaskus auf, sich „konstruktiv“an Friedensverhandlungen zu beteiligen. Wa-
shington und Paris drohten zugleich aber weitere Angriffe für den Fall neuer Chemiewaffenattacken an. Russlands Staatschef Wladimir Putin warnte daraufhin in einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Hassan Rohani, dies würde „unweigerlich Chaos in den internationalen Beziehungen verursachen“. Die beiden Staatschefs verurteilten die Angriffe als Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen. Die Bomkräfte bardements hätten „die Aussichten auf eine politische Einigung in Syrien erheblich beeinträchtigt“.
Eine klare Nahoststrategie Washingtons ist unterdessen nicht erkennbar. US-Präsident Donald Trump hat in seiner Rede an die Nation den Nahen Osten als einen „unruhigen Ort“markiert. Er denkt in Bezug auf Syrien in zwei Kategorien: den Kampf gegen den IS, den er für so gut wie beendet
hält, und den Bürgerkrieg, aus dem er sich raushalten will. Ob seiner Regierung daran gelegen ist, eine diplomatische Initiative voranzutreiben, ist unklar. Der designierte Außenminister Mike Pompeo hat sein Amt noch nicht angetreten; Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton ist kein Diplomat, er gilt als Haudrauf.
Für Trump geht das Thema weit über die russisch-amerikanischen Beziehungen und einen Stellvertreterkampf hinaus. In seiner Ansprache verwies er auf die anderen Mächte in der Region: Ein verstärktes Engagement Saudi-Arabiens, der Emirate, Katars und Ägyptens könne gewährleisten, „dass der Iran nicht von der Vernichtung des IS profitiert“. Manche, wie das Magazin „The Atlantic“, nennen diese Mixtur aus Heraushalten und Interessenverteilung die „Trump-Doktrin“für den Nahen Osten.