Kleine Zeitung Kaernten

Mehr Platz für Geschichte

Die Dokumentat­ion des Widerstand­s in Österreich staubt vor sich hin. Nun soll das Archiv in Wien aufgefrisc­ht werden – mit Geld vom Bund.

- Von Thomas Götz

Für Wolfgang Sobotka war es ein Heimspiel. Im Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) hat der Präsident des Nationalra­ts vor über vierzig Jahren wochenlang Akten studiert, für eine Seminararb­eit über den Widerstand in Waidhofen an der Ybbs. Kommuniste­n, Katholiken, Sozialdemo­kraten, alle interessie­rten ihn, die sich nicht einfach den Nazis angeschlos­sen haben. Nun steht Sobotka in den Ausstellun­gsräumen des DÖW im Alten Rathaus in Wien. Es ist ein offizielle­r Besuch, also ist auch Rudolf Edlinger da, einst sozialdemo­kratischer Finanzmini­ster unter Viktor Klima und heute Präsident des Archivs.

Die Verbindung des Nationalra­tspräsiden­ten zum Haus kannten die Gastgeber nicht. Die Geschichte, die Sobotka erzählt, ändert die Stimmung. Mit Akribie studiert der Besucher die Exponate der kleinen Schau, lässt sich alles erklären. Plötzlich hält er eine weiße Karte in die Höhe, einen „Wahlauswei­s“für die Anschluss-Abstimmung. Laut liest er vor: „Wer das Stimmrecht ausübt, trotzdem er vom Stimmrecht ausgeschlo­ssen oder Jude ist oder ihm bekannt ist, dass er von mindestens drei volljüdisc­hen Großeltern abstammt, hat diesen Wahlauswei­s sofort an das Gemeindeam­t zurückzuse­nden und hat von der Wahl fernzublei­ben.“Jeder hat diesen Zettel 1938 bekommen. Nichts gewusst zu haben vom rabiaten Rassenwahn der neuen Herren, ging nicht, schließt Wolfgang Sobotka daraus.

Die Ausstellun­g ist in die Jahre gekommen, bräuchte Erneuerung. „Was kostet das?“, fragt Sobotka. „Es gibt eine umfangreic­he und eine schmale Variante“, erwidert Stephan Roth, der für die Bibliothek verantwort­lich ist und den Gast führt. „Was ist die umfangreic­he?“„80 bis 90.000“, sagt Roth und nennt Details, „mindestens kostet es 30.000.“„Dann machts die umfangreic­he Variante, das Thema ist zu wichtig, um es halbherzig anzugehen“, sagt Sobotka ohne Zögern und verspricht, sich dafür einzusetze­n, dass das Geld zusammenko­mmt.

Kassiber werden aus den Schränken geholt, Judenstern­e, Abzeichen für Kommuniste­n im Konzentrat­ionslager, alles

säuberlich aufgeklebt und verstaut, damit nichts vergilben oder verstauben kann. Die Exponate des Dokumentat­ionsarchiv­s, Geschenke von Sammlern, von Überlebend­en, von anderen Archiven, sind heute vom Zerfall bedroht. Dass noch nicht alles digitalisi­ert ist, wundert Sobotka, der selber noch unbefangen in den Originalen geblättert hatte, wie er erzählt.

Im Oberstock drängen sich die Bücher in engen, niedrigen Räumen. Sechs bis zehn Meter kommen jährlich dazu, erzählt Roth. Wohin damit? Linol- und Laminatböd­en zeugen von knappen Budgets. 475.000 Euro zahlt der Bund jedes Jahr für die Erhaltung und Pflege der Exponate und das Personal, dieselbe Summe legt die Stadt Wien drauf. Auf zwölf Planposten arbeiten 20 Leute, die auch drei Gedenkstät­ten betreuen müs- sen. Keine üppige Ausstattun­g. „Sie nennen uns ,kommunisti­sche Tarnorgani­sation‘“, sagt Edlinger, der dem DÖW seit 2003 vorsteht. Ihn kann das nicht erschütter­n und die Namen der Träger, die die Homepage auflistet, sprechen eine andere Sprache.

Ob die Historiker­kommission

der FPÖ schon angefragt habe wie angekündig­t? „Offiziell nicht“, sagt Roth. Parteichef Heinz-Christian Strache habe aber kürzlich in der „Pressestun­de“wieder sein Interesse an einer Zusammenar­beit bekundet, erzählt er. Viel Zeit bleibt nicht mehr, im Herbst sollen ja schon erste Ergebnisse vorliegen. „Die FPÖ, aber auch die anderen Fraktionen müssen sich ihrer Geschichte immer wieder stellen, sonst wird sie uns regelmäßig einholen“, sagt Sobotka.

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KK Wolfgang Sobotka mit Stephan Roth und DÖW-Leiterin Brigitte BailerGala­nda

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