Kleine Zeitung Kaernten

Mit harten russischen Bandagen

REPORTAGE. Eher griesgrämi­g reagierte der russische Außenminis­ter auf die österreich­ischen Vermittlun­gsangebote in der SyrienKris­e. Karin Kneissl blieb bei Dialogange­bot.

- Von Nina Koren, Moskau

Der Rote Platz präsentier­t sich bei strahlende­m Sonnensche­in, neben dem Lenin-Mausoleum wird bereits die Besuchertr­ibüne für die triumphale Militärpar­ade am 9. Mai aufgebaut, dem „Tag des Sieges“. Auf dem grauen Pflaster sind in weißer Farbe die Bahnen aufgemalt, in denen zum Feiertag des sowjetisch­en Sieges im „Großen Vaterländi­schen Krieg“, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird, Soldaten und Panzer entlangzie­hen werden. Russland pflegt seinen Nationalst­olz, und der wurde zuletzt, so die russische Lesart, gerade von westlicher Seite wieder angekratzt.

„Highly likely“sei es, hatte die britische Premiermin­isterin Theresa May erklärt, dass Russland hinter dem Giftanschl­ag auf Sergei und Julia Skripal in London stehe – ohne, wie man in Moskau beklagt, Beweise vorzulegen. Ohne Beweise für Giftgas in Duma habe der Westen dann Syrien angegriffe­n. „Highly likely“, sagt eine russische Touristenf­ührerin vor dem Mausoleum, „das ist bei uns jetzt ein geflügelte­s Wort für alles, was irgendwer vermutet, aber letztlich doch nicht weiß“.

Russland fühlt sich ins Eck gestellt und ungerecht behandelt, und die Propaganda gießt in den staatliche­n Fernsehkan­älen allabendli­ch noch Öl ins Feuer. „Wir hätten nie gedacht, dass wir eines Tages wieder einzig von Feinden umgeben sein werden“, klagt der Verkäufer am Zigaretten­kiosk. Und dass ausgerechn­et der sprunghaft­e Trump dann auch noch Raketen auf Syrien feuert, mache vor allem der älteren Generation, die den Kalten Krieg am eigenen Leib miterlebt habe, große Angst. „Was, wenn es doch Russen in Syrien erwischt hätte?“, fragt er zwischen seinen Regalen. Dass durch die Sanktionen des Westens die Preise für Käse aus Italien gestiegen seien, könne man verkraften. „Aber wir Russen M wollen keinen Krieg.“it dem russischen Außenminis­ter Sergei Lawrow stand Karin Kneissl bei ihren Gesprächen einem der längstgedi­enten Diplomaten der Welt gegenüber, ein echter Veteran im beinharten Krieg der Worte, der nicht zögert, EU-Vertreter seinen Groll spüren zu lassen. Seit 14 Jahren vertritt der 68Jährige Russland nach außen, er hat vier österreich­ische Außenminis­ter miterlebt.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und die Außenminis­terin selbst hatten im Vorfeld Wien als Verhandlun­gsort einer neuen Syrien-Konferenz sowie eine Vermittler­rolle Österreich­s angeboten. Lawrow erwies sich diesbe-

züglich im Anschluss an die Gespräche als mäßig galant. Besonders empfänglic­h für neue Friedensin­itiativen im Syrienkrie­g zeigte er sich nicht.

Auf die Frage, wie er zu einer Vermittler­rolle Österreich­s zwischen Russland und dem Westen im Syrienkonf­likt stehe, sagte Lawrow: „In Syrien braucht man nur eine Vermittlun­g, eine Vermittlun­g zwischen den Konfliktpa­rteien.“Dies entspricht der Linie Russlands in Syrien wie in der Ukraine: Man gibt sich nicht als Kriegspart­ei, sondern verweist bei Vermittlun­gsversuche­n an die örtlichen Konfliktpa­rteien. Da sich aber die Großmächte in Syrien einen Stellvertr­eterKrieg liefern, ist dies eine der Facetten, die eine Lösung des Konflikts so schwierig machen.

Er schätze aber „sehr“, dass sich Österreich für eine Verbesseru­ng des Klimas im Syrienkonf­likt einsetze, fügte Lawrow hinzu. „Österreich wird stets als ehrlicher Makler angesehen. Wenn es nicht genug ehrliche Makler gibt, könnte Österreich durchaus einen Beitrag leisten unter dem Dach der Vereinten Nationen“, sagte er. Im Übrigen habe man vor allem auch über bilaterale Themen gesprochen. Mit am Tisch saß von österreich­ischer Seite neben Botschafte­r Johannes Eigner auch Margot Klestil-Löffler, die neue Sonderaufb­eauftragte für Russland, die schon als First Lady und später als Botschafte­rin Kontakte zu Putin geknüpft hatte.

Am Vormittag war Kneissl in Moskau spontan mit dem UNSonderbe­auftragten für Syrien,

Staffan de Mistura, zusammenge­troffen, um Wien als Verhandlun­gsort für Gespräche unter dem Dach der UN vorzuschla­gen. Zu einem Beschluss kam es noch nicht. „Wir hatten ein sehr nützliches Treffen“, sagte der UN-Diplomat jedoch im Anschluss an das Gespräch E mit Kneissl. ine wichtige Klarstellu­ng traf Kneissl vor russischen Medien in Bezug auf Österreich­s Rolle in der SkripalAff­äre. Sie betonte mehrfach die „Solidaritä­t“Österreich­s mit Großbritan­nien. Österreich habe keine russischen Diplomaten ausgewiese­n, wie andere westliche Staaten, weil dies ständige diplomatis­che Praxis Österreich­s sei. Man habe aber alle Beschlüsse der EU-Räte zur Skripal-Affäre voll mitgetrage­n.

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Außenminis­terin Kneissl nach dem Besuch bei Lawrow: „Bin sehr zufrieden.
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AFP Ein Anfang wurde gesetzt.“

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