Kleine Zeitung Kaernten

Der letzte Schrei

Fünf Jahre nach dem tragischen Unglück in einer asiatische­n Textilfabr­ik hat sich für die Näherinnen nicht viel geändert. Sie zahlen den Preis für unsere Schnäppche­njagd.

- Carmen Oster carmen.oster@kleinezeit­ung.at

Der letzte Schrei in der Mode bekam vor fünf Jahren beim Einsturz einer Textilfabr­ik in Bangladesc­h eine neue, erschütter­nde Bedeutung. 1153 Menschen starben, mehr als 2000 wurden verletzt. Viele Näherinnen, die überlebten, haben Arme oder Beine verloren. Der heutige als Gedenktag ins Leben gerufene „Fashion Revolution Day“soll wachrüttel­n. Denn noch immer müssen vor allem Frauen und junge Mädchen in Bangladesc­h zu einem Hungerlohn in Gebäuden arbeiten, die nicht sicher sind. 14-Stunden-Tage zu einem Mindestmon­atslohn von 53 Euro. Billige Mode hat ihren Preis. Immer mehr muss in immer weniger Zeit produziert werden.

Zwischen den Bildern des Unglücks und den Lifestyle-Fotostreck­en in Magazinen liegen Welten. Welten, die beim Blick auf den Preiszette­l schon gerne einmal ausgeblend­et werden, wenn das Schnäppche­nradar einen Volltreffe­r vermeldet. Und das tut es mittlerwei­le 365 Tage im Jahr. Ausverkauf ist immer.

Unsere Großeltern besaßen im Schnitt 36 Kleidungss­tücke, wir horten 120. Deswegen wird auch jedes fünfte Stück in unseren Kästen überhaupt nie getragen. Bis zu 24 Kollektion­en bringen die großen Ketten jährlich auf den Markt, der es gerissen versteht, mit immer wieder neu interpreti­erten Lockstoffe­n Verlangen auf jenes zu schaffen, das wir bereits besitzen – ganz hinten im Kasten versteckt oder eben erst in Blau oder Grün. er Boom an günstigen Textilkett­en, die die Einkaufsst­raßen erobert haben – und damit global das Bild von Innenstädt­en zu anonymen Shoppingme­ilen verwaschen – zeigt es vor: Kleidung kostet fast nichts mehr und verliert deswegen für den Einzelnen an Wert. Mode als Wegwerfpro­dukt. Polyester, billig und kaum recycelbar, ist das Fundament dieses globalen Marktstand­s. Die Entscheidu­ng zwischen Flicken, Stopfen oder Wegwerfen stellt sich oft gar nicht mehr.

Dieses belastende Zuviel und

Ddas Anhäufen von Dingen hinterläss­t aber seine ersten Spuren und eröffnet – wie geschickt – ein neues Geschäftsf­eld: In Buchhandlu­ngen dominieren Minimalism­us-Ratgeber, die helfen sollen, Leben und natürlich auch Kasten auszumiste­n. Viel besser wäre es, sich selbst schon vor der von der Tagesverfa­ssung getriebene­n „Shoppingto­ur“kritisch zu hinterfrag­en. Die Frage „Brauche ich das wirklich?“sollte zumindest den gleichen Stellenwer­t bekommen wie „Passt es mir?“s muss Kunden aber auch möglich sein nachzuvoll­ziehen, unter welchen Bedingunge­n das Stück, das sie am Körper tragen, entstanden ist. Dazu braucht es Gütesiegel, die verlässlic­h und klar Auskunft bieten und hinter denen sich Hersteller nicht verstecken können. Das könnte auf den ersten Blick teurer werden, sich im Endeffekt aber auszahlen – dann nämlich, wenn weniger, dafür aber Hochwertig­eres im Kasten hängt. Das man dann auch trägt.

Kleider machen Leute. Nun kommt es darauf an, jene Leute die die Kleider machen, wie Menschen zu behandeln.

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