Sprengkraft der digitalen Revolution
Die arbeiterlose Fabrik ist heute keine Vision mehr, sondern die sich abzeichnende Realität. Frisst der digitale Wandel mit der Arbeit auch die Grundlage des kapitalistischen Systems?
Als Karl Marx den Kapitalismus beschrieb, sah er den technologischen Wandel unserer Zeit naturgemäß nicht vorher, wenngleich er in seinem „Maschinenfragment“prophetische Fähigkeit bewies – dazu später. Doch die Vorzeichen Mitte des 19. Jahrhunderts waren jenen von heute nicht unähnlich: Dampfmaschinen, ab dem Ende des 18. Jahrhunderts massenhaft eingesetzt, wurden zum schnaubenden Motor der ersten industriellen Revolution, die Heerscharen armer, entrechteter Arbeiter produzierte. Gemeinsam mit Friedrich Engels analysierte Marx die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch Unternehmer und Feudalherren. Dass er den Arbeitern ein Selbstbewusstsein gab, ist einer seiner großen Verdienste. Die Prognose, der Kapitalismus werde an seinen eigenen Widersprüchen scheitern, harrt freilich ihrer Ver- der angekündigte Untergang des Kapitalismus wurde schon mehrfach vertagt.
Doch es rumort, unüberhörbar. Gräben tun sich auf, ein tiefer Sturz der Arbeitnehmerschaft, wie wir sie bisher kannten, bahnt sich an. Dabei sind industrielle Revolutionen, historisch betrachtet, gar nicht ungewöhnlich: Nach der Dampfmaschine kam das Fließband, dann die Automatisierung durch den Computer. Jetzt also Industrie 4.0. Doch das Wesen des Wandels ist diesmal grundverschieden: Fabriken werden errichtet, in denen Maschinen quasi ohne menschliches Zutun kommuni-
sind einem großen Risiko ausgesetzt, ihren Arbeitsplatz an einen Roboter oder Algorithmus zu verlieren, errechneten Oxford-Wissenschaftler. – miteinander und, via Funkchips, mit ihren Erzeugnissen. Sie stellen Produkte her, die ohne Menschen funktionieren – etwa autonom fahrende Autos.
Dieser Wandel kostet Opfer. Schreckensszenarien einer Jobvernichtungsmaschine werden Realität. So kündigte jüngst die AUA-Mutter Lufthansa an, 3200 Verwaltungsbeamte abzubauen und stattdessen Beschäftigte mit Digitalkenntnissen („Digital Natives“) zu suchen. Der Ökonom Carl Benedikt Frey und der Informatiker Michael Osborne bewerteten 2013 den Gefährdungsgrad von 702 Berufen und erstellten für die USA eine „Rote Liste“. Fast die Hälfte aller Berufe werde 2030 nicht mehr existieren. Die Oxford-Studie wird häufig zitiert. In Österreich bedrohe, besagt ein 2016 erschienenes Papier von A. T. Kearney auf Basis dieser Studie, die Digitalisierung bis 2040 44 Prozent aller Arbeitsplätze. Weltweit werden, glaubt der Chef des chinesischen E-Commercewirklichung, Konzerns Alibaba, in den nächsten drei Jahrzehnten gar bis zu 800 Millionen Jobs durch Computermaschinen überflüssig. Zu weniger dramatischen Ergebnissen kommt das Institut für Höhere Studien (IHS), das von einem digitalen Gefährdungspotenzial von bloß 9 Prozent in Österreich ausgeht.
wird die Prognose, verstärkte Automatisierung würde mehr neue Jobs schaffen als vernichten, durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und die London School of Economics. Die Aufrüstung mit Industrierobotern führe zu einer positiven Jobbilanz, meinen die Institute. Vor allem gefährliche, gesundheitsschädliche und monotone Tätigkeiten würden ersetzt, nur jeder 20. Beschäftigte werde in den nächsten fünf Jahren seinen Job verlieren. Neben Aufgaben, die heute Maschinen erledigen, sind auch neue Tätigkeiten für Mitarbeiter entstanzieren