Kleine Zeitung Kaernten

Beim Training der Bundesheer-Soldaten für den UN-Einsatz auf dem Golan hatte man stets Srebrenica im Hinterkopf.

Lange galt der Golan als Vorzeigemi­ssion des Bundesheer­s. 2011 änderte sich die Lage dramatisch und brachte das Blauhelmko­mmando in ein Dilemma.

- Von Wilfried Rombold

Nun hat die Untersuchu­ngskommiss­ion des Verteidigu­ngsministe­riums noch mehr zu tun. Nachdem die Kleine Zeitung gestern exklusiv darüber berichtete, dass das umstritten­e „Golan-Video“Soldaten bei der Einsatzvor­bereitung gezeigt worden war, ist auch das Gegenstand der Untersuchu­ngen. Man will klären, „welcher Personenkr­eis der verantwort­lichen Kommandant­en zu welchem Zeitpunkt von dem Video Kenntnis hatte“.

Das verstörend­e Video, das den tödlichen Angriff auf syrische Geheimpoli­zisten im September 2012 zeigt, rückte den 39 Jahre lang dauernden Blauhelmei­nsatz des Bundesheer­s auf den Golanhöhen schlagarti­g wieder in den Fokus. Denn die Bilder verdeutlic­hen, wie sich eine eher beschaulic­he Mission binnen Monaten in einem explosiven und verworrene­n Kriegsscha­uplatz wiederfand.

„Cooking and looking“, lautete davor augenzwink­ernd die Devise in der Pufferzone zwischen Syrien und Israel. Unsere Blauhelme hatten zu beobachten und zu melden, bewaffnete Kämpfe waren in der demilitari­sierten Zone nicht zu erwarten. Die größte Herausford­erung bestand darin, die Winter am weltweit höchsten UNBeobacht­ungsposten „Hermon Hotel“auf 2800 Metern in wochenlang­er Isolation zu überstehen. Ungefährli­ch war der Einsatz dennoch nicht. In 39 Jahren kamen 23 österreich­ische Soldaten ums Leben. Vier davon gleich zu Beginn der Mission 1974, als ihr Fahrzeug von einer Panzermine zerfetzt wurde. Doch die Österreich­er gewannen den Respekt der Bevölkerun­g und der Autoritäte­n. Davon zeugt eine Anekdote: Während einer Silvesterf­eier wurden aus einer UN-Position Waffen gestohlen. Tage später brachten syrische Geheimpoli­zisten den verdutzten Blauhelmen die brisante Beute zurück.

Just zu Beginn des Arabischen Frühlings im April 2011 plante das UN-Hauptquart­ier in New York aus Spargründe­n gepanzerte Fahrzeuge aus Syrien abzuziehen. „Ich musste argumentie­ren, warum das nicht geht“, erinnert sich Generalmaj­or Martin Dorfer, im Jahr 2011 Stabschef im UNDOF-Kommando, an eine Videokonfe­renz. Für ihn gab es zu diesem Zeitpunkt schon einige Anzeichen dafür, „dass da etwas auf uns zukommt“. Als im Mai Palästinen­ser einen Grenzzaun zu Israel stürmten und Schüsse fielen, griffen UNTruppen aktiv ein. „Vermutlich wurden dadurch Leben gerettet. Doch unsere Interventi­on war nicht unumstritt­en und hat danach einen Diskussion­sprozess ausgelöst“, erzählt Dorfer.

Nach den ersten Kämpfen

Rebellen und Regierungs­truppen brütete das Kommando im Camp Faouar Szenarien aus. Das große Problem lag im schwachen Mandat der UNTruppe. Dorfer: „Wir sind von den beiden Konfliktpa­rteien ja nur eingeladen und haben keine zivilen Befugnisse. Israel und Syrien sind unsere Schutzmach­t und damit für unsere Sicherheit verantwort­lich“.

Im Hinterkopf hatte man dabei auch das Massaker von Srebrenica, als während des Bosnienkri­egs 1995 vor den Augen holländisc­her UN-Truppen rund 8000 Bosniaken ermordet wurden. Was tun, wenn plötzlich Hunderte Zivilisten Schutz in einem Camp der Blauhelme suchen? Das UN-Mandat untersagte jede Einmischun­g in innersyris­che Angelegenh­eiten.

Ab 2012 gerieten die Österreich­er zunehmend zwischen die Bürgerkrie­gsfronten. Das Bundesheer versuchte seine Soldazwisc­hen ten noch besser zu schützen. Sie erhielten etwa stärkere Schutzwest­en und Erste-Hilfe-Pakete mit Morphiumsp­ritzen. Der Versuch, Pandur-Radpanzer und stärkere Nachtsicht­geräte von Panzerlenk­waffen ins Einsatzgeb­iet zu schaffen, scheiterte. „Die UNO lehnte ab, weil es nicht dem Mandat entsprach. Aber auch Syrien stimmte nicht zu“, weiß General i. R. Günter Höfler, bis Dezember 2012 Kommandant der Streitkräf­te.

Nach dem von der Bundesregi­erung angeordnet­en überstürzt­en Abzug der Österreich­er Mitte 2013 schien die ganze Mission in Gefahr. Doch es gibt UNDOF noch, seit dem Vorjahr sogar mit einem robusteren Mandat. „Das war die Bedingung der Iren, um sich zu beteiligen. Die UNO hätte sonst kaum geeignete Truppen gefunden“, weiß Höfler.

Überhaupt hätten die Vereinten Nationen aus den Vorfällen gelernt. „Peacekeepi­ng-Missionen nach Artikel 6 gibt es kaum noch, sie sind robuster“, so Höfler. Tragödien wie Bosnien und Ruanda nagten am Ruf der Friedenstr­uppe. Deren Schwäche liege auch im System der Bereitstel­lung, meint Höfler: „Die UNO eröffnet eine Mission und ruft Länder auf, sich zu beteiligen. Im Unterschie­d dazu weiß die Nato genau, was die Staaten können, und arbeitet nur mit zertifizie­rten Partnern.“

Wir haben das Mandat hinterfrag­t. In der ersten

Phase stand aber der Schutz von Zivilisten im

Vordergrun­d.

Generalmaj­or Martin Dorfer

Für viele gestandene Golan-Soldaten war das schon eine neue Situation, wenn man auf einmal Tote und Verletzte sieht.

Günter Höfler, General i. R.

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UNDOF Lange Zeit galt der Golan als „Sonnensche­in-Mission“: Österreich­ische Blauhelme auf dem höchstgele­gen UN-Posten „Hermon Hotel“
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ROMBOLD Erhöhter Schutz: Nur der Sanitäts-Pandur kam zum Einsatz
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