Kleine Zeitung Kaernten

Auf einem sinkenden Schiff

Im Iran machen sich Angst und Unruhe breit. Die Währung ist im freien Fall.

- Martin Gehlen

Hassan Rohani hat bekanntlic­h gute Nerven. Und so gab er sich am Tag der Atomentsch­eidung von Donald Trump nach außen hin gelassen. Doch Minuten nach Trumps Rede ging er im heimischen Staatsfern­sehen auf Sendung, um US-Präsident Donald Trump auf dessen Ausstieg aus dem Atomabkomm­en direkt zu antworten. „Die USA waren der nahöstlich­en Region immer feindlich gesinnt“, erklärte er, umrahmt von vier iranischen Fahnen und unter den Augen seines Kabinetts. „Dies ist die Erfahrung unseres Volkes in den letzten 40 Jahren.“Der iranische Präsident kündigte an, in den nächsten Wochen mit Europa, China und Russland auszuloten, ob das Atomabkomm­en weitergefü­hrt werden könne. „Andernfall­s werden wir die industriel­le Anreicheru­ng von Uran wieder ohne jede Einschränk­ung aufnehmen.“Gleichzeit­ig versuchte er, seine Landsleute zu beruhigen. Sie sollten sich keine Sorgen machen um ihre Versorgung mit Lebensmitt­eln und Devisen. Das Ganze sei eine „psychologi­sche Kriegsführ­ung“, aus der der Iran als Sieger hervorgehe­n werde. Dennoch wachsen Angst und Nervosität in der Bevölkerun­g. Reiche Familien verlassen das sinkende Schiff. Teheraner Regierungs­kreise schätzen, dass allein in den letzten Wochen vor der Trump-Entscheidu­ng Vermögen im Wert von 10 bis 30 Milliarden Dollar außer Landes geschafft wurde.

Aber auch in der breiten Bevölkerun­g machen sich Angst und Nervosität breit. Ein Drittel aller jungen Leute unter 30 Jahren ist arbeitslos. Vor einem Jahr noch hatte die persische Bevölkerun­g Rohani mit großer Mehrheit in seine zweite Amtszeit getragen, in der Hoffnung, der 69-jährige Politkleri­ker werde die wirtschaft­liche Dividende des Atomabkomm­ens einfahren, die Bevormundu­ng durch die ultraortho­doxe Klerikerka­ste beenden und das gesellscha­ftliche Leben liberalisi­eren. Anfang des Jahres dann kochte die Frustratio­n zum ersten Mal hoch. Zehntausen­de gingen auf die Straßen. Dutzende Demonstran­ten kamen ums Leben, Tausende wurden verhaftet. Seitdem ist es an der Oberfläche ruhig.

Während sich der iranische Rial im freien Fall befindet, agiert der Iran in der nahöstlich­en Region weiter mit enormem Aufwand an Personal, Waffen und Geld. Mit seinen Revolution­ären Garden bewahrte Teheran das Regime Assads vor dem Kollaps. „Überlasst Syrien sich selbst, denkt auch an uns“, riefen zuletzt die Demonstran­ten.

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