Auf einem sinkenden Schiff
Im Iran machen sich Angst und Unruhe breit. Die Währung ist im freien Fall.
Hassan Rohani hat bekanntlich gute Nerven. Und so gab er sich am Tag der Atomentscheidung von Donald Trump nach außen hin gelassen. Doch Minuten nach Trumps Rede ging er im heimischen Staatsfernsehen auf Sendung, um US-Präsident Donald Trump auf dessen Ausstieg aus dem Atomabkommen direkt zu antworten. „Die USA waren der nahöstlichen Region immer feindlich gesinnt“, erklärte er, umrahmt von vier iranischen Fahnen und unter den Augen seines Kabinetts. „Dies ist die Erfahrung unseres Volkes in den letzten 40 Jahren.“Der iranische Präsident kündigte an, in den nächsten Wochen mit Europa, China und Russland auszuloten, ob das Atomabkommen weitergeführt werden könne. „Andernfalls werden wir die industrielle Anreicherung von Uran wieder ohne jede Einschränkung aufnehmen.“Gleichzeitig versuchte er, seine Landsleute zu beruhigen. Sie sollten sich keine Sorgen machen um ihre Versorgung mit Lebensmitteln und Devisen. Das Ganze sei eine „psychologische Kriegsführung“, aus der der Iran als Sieger hervorgehen werde. Dennoch wachsen Angst und Nervosität in der Bevölkerung. Reiche Familien verlassen das sinkende Schiff. Teheraner Regierungskreise schätzen, dass allein in den letzten Wochen vor der Trump-Entscheidung Vermögen im Wert von 10 bis 30 Milliarden Dollar außer Landes geschafft wurde.
Aber auch in der breiten Bevölkerung machen sich Angst und Nervosität breit. Ein Drittel aller jungen Leute unter 30 Jahren ist arbeitslos. Vor einem Jahr noch hatte die persische Bevölkerung Rohani mit großer Mehrheit in seine zweite Amtszeit getragen, in der Hoffnung, der 69-jährige Politkleriker werde die wirtschaftliche Dividende des Atomabkommens einfahren, die Bevormundung durch die ultraorthodoxe Klerikerkaste beenden und das gesellschaftliche Leben liberalisieren. Anfang des Jahres dann kochte die Frustration zum ersten Mal hoch. Zehntausende gingen auf die Straßen. Dutzende Demonstranten kamen ums Leben, Tausende wurden verhaftet. Seitdem ist es an der Oberfläche ruhig.
Während sich der iranische Rial im freien Fall befindet, agiert der Iran in der nahöstlichen Region weiter mit enormem Aufwand an Personal, Waffen und Geld. Mit seinen Revolutionären Garden bewahrte Teheran das Regime Assads vor dem Kollaps. „Überlasst Syrien sich selbst, denkt auch an uns“, riefen zuletzt die Demonstranten.