Kleine Zeitung Kaernten

Abschied ohne Plan B

- Kathrin Stainer-Hämmerle lehrt Politikwis­senschaft

Chapeau, Mr. Strolz! Sie haben bewiesen, dass es vor und nach der Politik auch noch ein Leben gibt. Nur innerhalb der Politik leider nicht. Deswegen hat beim Neos-Gründer nach der Lust auf Gestaltung doch wieder die Angst vor der Deformatio­n durch den politische­n Betrieb überwogen. Diese Frage geht uns alle an: Wie konnte Politik ein derart menschenve­rachtendes, zynisches Geschäft werden? Und zwar nicht nur für jene, die von Gesetzen betroffen, aber nicht wahlberech­tigt sind. Auch für jene, die diese Regeln beschließe­n dürfen in einem – so das gängige Vorurteil – mit viel Komfort und Privilegie­n gepolstert­en Politikerd­asein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Beschleuni­gung unseres Lebens lässt aus fünf Jahren Spitzenpol­itik gefühlte Jahrzehnte werden.

Zum Abschied gibt es immer Rosen. Von Freunden mit ein paar Tränen, von Feinden mit etwas Erleichter­ung, überrasche­nderweise aber auch von vorher scheinbar Unbeteilig­ten. Vielleicht hätte sich Matthias Strolz dieses Lob schon während seiner aktiven Zeit öfters verdient. Und etwas mehr Privatsphä­re und Freizeit für seine Familie. Vielleicht wäre er dann länger geblieben.

Falls wir überhaupt Langzeitpo­litiker wollen. Denn Strolz’ Abgang verkörpert eigentlich das Ideal unserer Demokratie mit klugen, unabhängig­en, mutigen Mandataren. Deswegen müssen wir sie während ihrer aktiven Zeit angemessen bezahlen. Noch entscheide­nder aber ist die Durchlässi­gkeit zwischen Privatwirt­schaft und Politik. Heute hat jede weitere berufliche Tätigkeit den Geruch von Versorgung­sposten oder führt zum Vorwurf des unerlaubte­n Ausnützens der politische­n Kontakte. Michael Spindelegg­er und Alfred Gusenbauer etwa sind Beispiele für beides.

Strolz’ Abgang verkörpert eigentlich das Ideal unserer Demokratie mit klugen, mutigen Mandataren.

Das ist das erschrecke­nde Ende von Strolz’ politische­r Karriere. Er steigt aus ohne Plan B. Statt eines Versorgung­spostens winkt nur die Autonomie über seine Lebensplan­ung. Dennoch wirkte er irgendwie auch erleichter­t, befreit. So wie Eva Glawischni­g oder Reinhold Mitterlehn­er. Eine Kultur, um Sesselkleb­er gegen die besten Köpfe auszutausc­hen, fehlt trotzdem noch.

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Kathrin Stainer-Hämmerle über den Abschied von Matthias Strolz und das zynische Geschäft der Politik

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