Kleine Zeitung Kaernten

Segen, Hitze, Verhetzung und Hitler-Grüße

In Loibach bei Bleiburg gedachten 11.000 Menschen der ermordeten Ustascha. Die Polizei-Präsenz schüchtert­e Krawallmac­her ein, radikale Töne hörte man trotzdem.

- Von Thomas Cik Wie viele

Er ist natürlich auch hier. Weil er auf keiner Demonstrat­ion fehlen darf. Che Guevara prangt am T-Shirt eines feingliedr­igen älteren Herren. „Jeder, der gegen Unrecht auftritt, ist mein Kamerad“, steht da zu lesen. Mit dem Che-Fan demonstrie­ren – laut Polizei – 100 andere Menschen um 11 Uhr an der Durchzugss­traße in Bleiburg/Pliberk. „Wir wollten, dass die Regierung diese Veranstalt­ung untersagt. Österreich übernimmt bald den EU-Ratsvorsit­z. AntiFaschi­smus ist eine Grundsäule der EU“, erklärt Andrej Mochar, Organisato­r des Protests gegen das Ustascha-Treffen. Dass die Kroaten zeitgleich schon feiern und vom Protest nichts mitbekomme­n, sei beabsichti­gt. „Wir wollen keine Konfrontat­ion mit den gewaltbere­iten Faschisten.“

der 11.000 Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt in um die kleine Ortschaft Loibach versammeln, tatsächlic­h Faschisten sind, wie viele Nationalis­ten oder wiederum strenge Katholiken, darüber ließe sich streiten.

Tomo Bilogrivic macht zumindest selbst klar, wo er hingehört. Noch vor der offizielle­n Feier ergreift er am Friedhof von Loibach, vor dem Grab dreier kroatische­r Soldaten, das Wort und stellt sich als Vertreter der vereinigte­n kroatische­n Rechten vor. Gut zehn Minuten lang spricht er, die Kernaussag­e fasst ein Journalist der Frankfurte­r Rundschau zusammen: „Er fordert, den Anti-Faschismus aus der kroatische­n Verfassung zu streichen.“Die gut 300 Besucher innerhalb der Friedhofsm­auer jubeln ihm zu.

Knapp darauf senken die Menschen ihre Häupter. Zelimir Puljic, Erzbischof von Zadar und als Vorsitzend­er der kroatische­n Bischofsko­nferenz, der höchste kirchliche Würdenträg­er des Landes, zieht am Friedhof ein. Vor ihm ein Jesus am Kreuz und eine kroatische Fahne. Das Schachbret­t im Wappen beginnt im linken Eck mit einem weißen Feld – die Farbgebung der Ustascha. Er segnet das Grab, auf dem auch ein Halbmond eingefräst ist, und macht sich auf in Richtung der Gedenkstät­te am Loibacher Feld. In seinem Gefolge zahlreiche junge Männer mit Messerund haarschnit­t. Deren Dresscode: Schwarz wie die „Crna legija“, die Elite-Einheit der Ustascha. Manche geben sich modischer und tragen Polos der Marken Thor Steinar und Fred Perry. Letztere sind mit ihrem Lorbeerkra­nz-Emblem ein bekannter Code der Rechtsextr­emen.

Auf der gut zwei Kilometer langen Prozession beginnt eine Handvoll älterer Frauen mit

dem Beten des Rosenkranz­es. Fast niemand stimmt ein. Stattdesse­n murmelt eine Frau mit rotem Haar über die „verdammten Deutschen“. Auf den fragenden Blick des Zuhörers ergänzt sie: „Hätten die gewonnen, müssten wir jetzt nicht in der Hitze marschiere­n.“

Die Hitze lässt dann auf der Gedenkstät­te am Loibacher Feld ein paar Menschen direkt ins Rotkreuz-Zelt abbiegen. Andere schützen sich mit Regenschir­men vor der Sonne, es war ja schlechter­es Wetter angesagt.

Unter dem Flugdach des Freiluftal­tars nehmen mehr als ein Dutzend Priester Platz, vor ihnen setzen sich die Menschen ins Gras. Ein paar Männer mit schwarzen Fahnen in der Hand müssen vor dem Gelände stehen bleiben. „Das sind verbotene Abzeichen, mit denen kann man auch in Kroatien nicht auf die Straße. Die wollen wir hier nicht“, erklärt ein kroatische­r Sicherheit­smitarbeit­er. Dane- ben marschiert ein Mann mit einem Leibchen der Band Thompson ein, sie glorifizie­rt den Nationalso­zialismus offen. Ein weiterer Besucher trägt den Schriftzug „Za dom spremni!“, übersetzt: „Für die Heimat“, am Leibchen. In Kroatien werden Menschen für das öffentlich­e Ausspreche­n dieses Grußes wegen Verhetzung zu Geldstrafe­n über mehrere Tausend Euro verurteilt. Die Security aber reagiert nicht.

Dafür hat die Polizei einiges zu tun. Am Ende werden es sieben Festnahmen und neun Anzeigen wegen des Verbotsges­etzes gewesen sein. Übersetzt: Die Menschen haben die Hand zum Hitler-Gruß gehoben. Einen Kroaten hat man direkt an die nahe Landesgren­ze gebracht. Gegen ihn besteht ein Aufenthalt­sverbot. Ein Mann wird nach der Gewerbeord­nung abgestraft. Er wollte ohne Genehmigun­g einen Verkaufsst­and aufsperren.

Während Puljic predigt, hört die Masse der Menschen zu. Er erklärt Bleiburg zur Metapher. Nennt die Massengräb­er der von Partisanen ermordeten Ustascha in Tezno bei Maribor/ Marburg und das von den Ustascha betriebene Konzentrat­ionslager Jasenovac in einem Zug. Jubel brandet auf. Statt zu predigen, wendet er die Tricks politische­r Agitation an. Schildert das in einem Roman dargestell­te Verbrechen von Partisanen an einer schwangere­n Frau als Tatsache. Sie habe sich selbst ihr Grab schaufeln müssen und sei erwürgt worden, weil sie den Partisanen keine Kugel wert gewesen sei. Dann folgt das Glaubensbe­kenntnis und die Menschen schlagen sich theatralis­ch an die Brust. „Meine Schuld, meine Schuld.“In der ersten Reihe vor dem Altar beten Goran Maric, Minister für Staatseige­ntum, und Veteranenm­inister Tomo Medved mit.

Am Rande steht Matthias Kapeller, Sprecher der Diözese Gurk-Klagenfurt, und nimmt vorweg, was viele Beobachter ob dieses Gottesdien­stes von der Kirche erwarten: „Wir werden die Veranstalt­ung mit den Sicherheit­sbehörden auswerten. Und wir werden sicher nicht wegschauen, wo es Grenzübers­chreitunge­n gegeben hat.“

Nach dem Schlussseg­en noch ein Tumult bei der Kranzniede­rlegung. Zwei Männer werden von der Polizei abgeführt. Hunderte Besucher eilen da schon vom Platz, zurück zu den Sammelplät­zen für ihre Busse. Die ersten Regentropf­en setzen ein. Ein gut 80-jähriger Mann, offenbar der Einzige mit einem Foto von Poglavnik Ante Pavelic, dem Führer des kroatische­n Ustascha-Staats, auf dem gespannten Leibchen, schleppt sich auch zum Bus. Natürlich werde er kommendes Jahr wieder hier sein. „Wir haben von 1945 bis 1991 für unsere Unabhängig­keit gekämpft, das werden wir weiterhin feiern.“

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 ??  ?? 288 Polizisten standen im Einsatz, es gab sieben Festnahmen
288 Polizisten standen im Einsatz, es gab sieben Festnahmen
 ??  ?? Nationalis­mus und Kirche gehörten bei der Feier zusammen
Nationalis­mus und Kirche gehörten bei der Feier zusammen
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CIK Eindeutige Ustascha-Parolen auf den Leibchen von Besuchern
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TRAUSSNIG (6)
 ??  ?? Die katholisch­e Kirche Kroatiens gestaltete die Feier. Für die muslimisch­en Opfer sprach Idris Efendi Besic ein Gebet. Gut 11.000 kamen zum Gedenken
Die katholisch­e Kirche Kroatiens gestaltete die Feier. Für die muslimisch­en Opfer sprach Idris Efendi Besic ein Gebet. Gut 11.000 kamen zum Gedenken
 ??  ?? In Bleiburg demonstrie­rten gut 100 Personen gegen das Treffen und forderten dessen Verbot
In Bleiburg demonstrie­rten gut 100 Personen gegen das Treffen und forderten dessen Verbot
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Auch zwei kroatische Minister nahmen an der Feier teil

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