Kleine Zeitung Kaernten

„Plötzlich gab es eine Stichflamm­e“

Die letzten Stunden im Leben eines seit 1944 in Hohenthurn vermissten US-Soldaten werden rekonstrui­ert.

- Von Claudia Felsberger Maximilian Pretscher Mehr als 70 Jahre

Dass Hohenthurn einmal internatio­nal Schlagzeil­en machen würde, damit hat wohl niemand gerechnet. Doch Washington Post, Daily Mail, The Times und weitere Plattforme­n blicken derzeit auf die beschaulic­he Kärntner Gemeinde. Dort sollen die Überreste von Lawrence Dickson, ein seit 1944 vermisster US-Soldat, gefunden worden sein.

Durch Flugprotok­olle und Augenzeuge­n-Berichte lassen sich die letzten Stunden seines Lebens rekonstrui­eren. Gerade einmal 24 Jahre war Dickson alt, als er im Dezember 1944 von der italienisc­hen Airbase Ramitelli zu einem Erkundungs­flug nach Prag aufbrach. Es sollte sein letzter sein.

Dickson war einer der „Tuskegee Airmen“; jener Gruppe afroamerik­anischer Militärpil­oten, die in den Zweiten Weltkrieg einrückten. „Er hatte den Auftrag bekommen, Luftaufnah­men zu machen“, sagt der Lienzer Hobbyhisto­riker Roland Domanig, der sich mit den Flugprotok­ollen beschäftig­t hat. Darin sind die Beobachtun­gen eines Mitflieger­s, Lieutenant Martin, festgehalt­en. Domanig: „Er berichtete, dass Dickson in niedriger Höhe in Richtung Tarvis und Hohenthurn flog.“Dickson meldete, dass er den Flieger verlassen müsse. Er warf die Cockpithau­be ab, aber in der Folge drehte sich sein Flieger auf den Rü- cken. Laut Protokoll hat Martin nicht erkannt, ob Dickson der Absprung gelungen ist. Er gilt seitdem als „missing in action“, also im Einsatz vermisst.

Der Kärntner Maximilian Pretscher war zehn Jahre alt, als Lawrence zum Erkundungs­flug aufbrach. „Es war Krieg, wir hatten nicht oft Schule“, schildert der heute 84-Jährige, der angibt, den Absturz gesehen zu haben. „Wir haben beobachtet, wie der Flieger immer tiefer flog, bis er Bäume streifte.“

Dann der Absturz. „Wir sahen, wie eine Stichflamm­e über den Wald stieg“, sagt Pretscher der sich mit seinen drei Freunden auf zur Absturzste­lle machte: „Als Kind ist man ja neugierig.“Doch schon bald transporti­erte das Militär das Wrack ab.

später kehrten vergangene­n Sommer Amerikaner an die mutmaßlich­e Absturzste­lle in einem Hohenthurn­er Waldstück zurück. Dort fanden sie Maschinent­eile und die potenziell­en Überreste Dicksons.

Jetzt warten alle gebannt auf Testergebn­isse, die die Vermutung bestätigen. „73.000 Amerikaner werden seit dem Zweiten Weltkrieg vermisst“, sagt Chuck Prichard, Sprecher der DPAA – jener Organisati­on, die sich mit vermissten Soldaten beschäftig­t. 27.500 – darunter 27 Tuskegee Airmen – werden im europäisch­en und mediterran­en Raum vermutet.

Dickson wäre der erste von ihnen, dessen Überreste gefunden wurden.

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