Hunde, die wie Menschen denken
Wes Anderson hat einen Trickfilm über Hunde gedreht, der nicht nur Kindern etwas zu erzählen hat. Der Regisseur über seine Liebe zu Stop-Motion und die Motive in „Isle of Dogs“.
Für „The Grand Budapest Hotel“gewann er 2014 einen Silbernen Bären (Großer Preis der Jury). Heuer gab es für Wes Anderson den nächsten Silbernen Bären – für die beste Regie bei „Isle of Dogs – Ataris Reise“. Die Berlinale ist für ihn offensichtlich ein gutes Pflaster. International hat sein jüngster Film seither rund 51 Millionen Dollar eingespielt, nun ist er auch in unseren Kinos angelaufen.
Die Story spielt 20 Jahre in der Zukunft. In der Großstadt Megasaki City herrscht der korrupte und populistische Bürgermeister Kobayashi. Für den Katzenfreund gelten Hunde als Plage. Eines Tages bricht angeblich eine Art Epidemie aus, das geheimnisvolle „Schnauzenfieber“, das die Pfoten lähmt und den Blick trübt. Und das alles, lässt der Bürgermeister kolportieren, sei für Menschen höchst ansteckend. Also nützt Kobayashi die Gelegenheit, die verhassten Köter loszuwerden. Er verbannt sie auf eine riesige Mülldeponie, auf der auch eine riesige Versuchsanlage installiert ist. Das bedeutet: endloses Elend für die Hunde. Der Herr Bürgermeister hat nur einen Fehler gemacht: Spots, der viel geliebte Hund seines 12-jährigen Pflegesohnes Atari, war der erste, der verbannt wurde. Atari will Spots unbedingt wiederhaben: Mit einem selbst gebauten kleinen Jagdflugzeug fliegt er nach Trash Island, findet seinen Liebling und verhindert in der Folge einen Hunde-Genozid.
betont, er habe keinen politischen Film machen wollen, gibt es sichtbar jede Menge Parallelen zur Geschichte der Menschheit.
Am Anfang des Unternehmens „Isle of Dogs“, vor nicht ganz fünf Jahren, standen nur drei Begriffe: Bub, Hunde und Müll. „Ganz zu Beginn“, sagt der Regisseur, „habe ich sogar kurz darüber nachgedacht, mit echten Hunden zu drehen. Aber ein reiner Hundedreh, noch dazu mit sprechenden Hunden, wäre mir in logistischer Hinsicht wohl schnell über den Kopf gewachsen.“
So entschloss er sich für die klassische Stop-Motion-Technik, die sich seit ihrem legendären Einsatz bei „King Kong“anno 1932 kaum verändert hat. Dafür werden unbewegte Einzelbilder aufgenommen und so aneinandergereiht, dass die Illusion von Bewegung entsteht – im Vergleich zur heute gängigen Digitaltechnik ein hoch aufwendiges Verfahren, denn jedes einzelne Objekt muss für jedes Bild minimal neu modelliert werden. Pro Sekunde werden 24 Bilder abgespult. Andersons kleine, aber eigenwillige Veränderung: Er verwendete jedes Bild doppelt, damit wurden die Bewegungen eigenartiger und abgehackter, was zu einer ungewöhnlichen Ästhetik führte. Stop-Motion, zuletzt bei den „Wallace & Gromit“-Filmen und „Coraline“im Einsatz, fasziniert den Regisseur offenbar so sehr, dass er es schon zum zweiten Mal einsetzt: 2009 verwendete er es für die Roald-Dahl-Verfilmung „Der fantastische Mr. Fox“.
70 Puppenspieler und 38 Animatoren waren beschäftigt, um für „Isle Of Dogs – Ataris Reise“130.000 Einzelbilder zu schaffen. „Mein vereinfachtes System“, so Anderson, „änderte nichts daran, dass pro Tag lediglich ein paar Sekunden Film geschaffen werden konnten.“
Der schräge Texaner – nach seinen zahlreichen Zugfahrten Wien-Budapest für „The Grand Budapest Hotel“übrigens ein leidenschaftlicher Fan der ÖBB-Zuggarnituren – leugnet nicht, dass Stop-Motion-Legende Ray Harryhausen (1920– 2013) starken Einfluss auf ihn ausübte. Auch den japanischen Meisterregisseur Akira Kurosawa (1910–1998) nennt er als Einüblicherweise
fluss. Er übernahm sogar dessen Prinzip, Filme in kleiner Runde immer nach dem Ping-PongPrinzip zu entwickeln: Anderson holte sich Francis Ford Coppolas Sohn Roman, Jason Schwartzman und seinen japanischen Freund Kunichi Nomura als Mitwirkende: „Wir haben bestimmt 60 Zukunftsvisionen entwickelt, und dauernd kreisten unsere Gedanken um eine Frage: Was geschieht in unserer Geschichte als Nächstes?“
Außergewöhnlich ist die Starriege, die Andersons Film im Original synchronisiert: Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Har- vey Keitel, Anjelica Huston, Liev Schreiber, Yoko Ono (!), Bill Murray, Edward Norton, Jeff Goldblum, Greta Gerwig, Frances McDormand, Bryan Cranston, F. Murray Abraham, Roman Coppola und Ken Watanabe ließen es sich nicht nehmen, als Sprecher dabei zu sein. Schon allein deswegen lohnt sich wohl der Besuch der Originalfassung.
Warum sie alle miteinander mitgemacht haben? Aus Bewunderung für den Regisseur natürlich. „Für ein Genie wie Wes Anderson“, so Jeff Goldblum resümierend, „probiert man jede Art des Ausdrucks aus und geht an die Grenzen seiner Vorstellungskraft.“Das dürfte manchen leichter-, anderen schwerergefallen sein: „Roman Coppola“, verriet Anderson nach der Weltpremiere, „fällt aus der Rolle. Er ist ein Katzenliebhaber. Jason Schwartzman hingegen ist ein Hardcore-Hundefan.“Sein eigener Hund heiße Tramp (Herumtreiber): „Weil ich den Song ‚The Lady Is a Tramp‘ so oft gehört habe.“
Bleibt noch zu klären, warum Anderson überhaupt einen Film über Hunde gemacht hat: Der Regisseur, lächelnd: „Es ist Ihnen aber schon aufgefallen, dass unsere Hunde eigentlich Menschen sind, die wie Menschen denken ...?“