Ich wünsche mir mutige Menschen um ihn herum.
Von einem großartigen Leben mit einem zusätzlichen Baustein erzählt Nina Feichter, deren Sohn Oskar mit Trisonomie 21 zur Welt gekommen ist.
Wieder einmal Muttertag und die Frage in der Konferenz: Welche Geschichten bringen wir an diesem Ehrentag? Der Chefredakteur schlägt die Frage vor: „Was macht denn eine gute Mutter aus?“Die Mütter in der Runde schauen sich an und fragen sich wortlos: „Was soll denn das?“
Natürlich kann sie gestellt werden. Antworten wird es auch viele geben, jede wird anders sein. Eine lautet, dass glückliche Mütter glückliche Kinder und frustrierte Mütter unglückliche Kinder hätten. Was nun aber eine Mutter glücklich macht, darauf gibt es wieder unzählige Antworten, die eines gemeinsam haben: Sie könnten unterschiedlicher nicht ausfallen.
Sie ist aber symptomatisch – die immer wieder gestellte Frage, was eine wirklich gute Mutter ausmacht. Jede Frau stellt sie sich selbst – was mache ich falsch, hätte ich nur, wäre ich nur, muss ich strenger sein, weniger streng sein, habe ich genug Zeit. Zwischendurch liest Mama im Hamsterrad zwischen Beruf, Kindabholen und Einkaufen auch noch die Warnung eines Kinderpsychiaters. Der Dauerstress der Eltern überfordere kleine Kinder. Weil Mama dann nicht mehr in sich ruhend ist, das Gespür, wie man mit Kindern umgeht, im Stress verloren geht. Mit der Folge, dass Mama dann auch die Kinder permanent stresst. Es fehle die Geduld und das schädige Kinder ganz enorm. Es kommt noch schlimmer. Kinder seien nicht mehr in der Lage, sich emotional positiv zu entwickeln, weil sich der emotionale Bereich der Psyche eines Kindes nur entwickle, wenn es in ruhigen Abläufen begleitet werde.
Also Mamas, seid geduldig, habt Zeit, geht joggen, stresst euch nicht. Ansonsten sind wir keine guten Mütter? (Die Frage nach den guten Papas verschieben wir übrigens auf den Vatertag im Juni.) Gute Mütter sollten natürlich auch ihre Kinder bestens fördern. Aber Achtung, auch nicht zu viel. Das Highlight des Erziehungsalltags sollte nicht sein, dass das Kind mit möglichst elaborierten ersten Worten seine Intelligenz erkennen lässt oder das Alphabet von A bis zumindest P und den Zahlenraum bis 100 im Kindergartenalter schafft, um dann nur noch schnell mehrsprachig zu werden. Diese Mobilmachung passe, warnen Experten allzu ehrgeizige Mütter, absolut nicht zu kleinen Kindern. Was Kinder bräuchten, sind verlässliche Beziehungen. Sie brauchen weniger einen Nativspeaker in Englisch mit drei Jahren als vielmehr eine in sich ruhende Mama. Aber was passiert, wenn Mama zwar nicht erwerbstätig ist, aber sich dennoch gestresst fühlt, weil ihr der Job fehlt? Ist sie dann keine gute Mutter mehr?
Was viele Mütter eint, ist immer irgendwie ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn es nicht läuft, wie es laufen sollte. Sie fühlen sich verantwortlich, wenn Kinder in der Schule Probleme haben, wenn sie schwierig werden. Die einen quälen sich mit der Frage, ob ihre Erwerbstätigkeit schuld sei, die anderen, ob allzu große Mutterliebe, Überversorgung und Dauerpräsenz das Kind erdrückt. Als ob es immer um ein individuelles Versagen ginge. Frauen klammern gerne aus, was in gleicher Weise essenziell ist: die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die ebenso entscheidend sind, wie „gut“Mütter überhaupt sein können. Diese Rahmenbedingungen stehen aber weit weniger oft im Scheinwerferlicht als Fragen, was eine gute Mutter ausmacht. Dazu gesellt sich allzu schnell die offen oder mit verstecktem Visier vorgetragene Mütterkritik. Manchmal äußert sie sich in der banalen Frage an eine Vollzeit-Mutter: „Ah, Sie haben drei Kinder, und was machen Sie beruflich?“Als ob die Betreuung von drei Kleinkindern keine tagesfüllende Beschäftigung wäre. Oder sie erfasst ein ganzes Land, wenn eine Ministerin es wagt, fünf Tage nach der Geburt wieder in der Ministerratssitzung zu erscheinen. „Rabenmutter, unverantwortlich“, waren die mildesten Vorwürfe, die diese Ministerin in Frankreich vor allem von D Frauen zu hören bekam. ie Krallen von Frauen können scharf sein. Wer sich bewusst für das Vollzeit-Muttersein und für ein geringeres Familieneinkommen entscheidet, wird als Glucke diffamiert. Wer das Kind mit sechs Monaten in eine Krippe gibt, wird ins Eck der egoistischen, geltungssüchtigen Karrieristin gestellt. Aber selbst jenen, die Teilzeit arbeiten, um Kinder, Familie, Job unter einen Hut zu bekommen und um ein wenig dazuzuverdienen, wird mit erhobenem Zeigefinger erklärt, dass sie sich Scheidungsraten und Altersarmut vor Augen halten und schleunigst Vollzeit arbeiten sollten. Und sie sollten sich von der Rolle der „Dazuverdienerin“lösen.
Was da mitschwingt, ist ein oft aggressiv missionarisches Sendungsbewusstsein für einen einzigen Lebensentwurf. Als ob Mütter eine homogene Gruppe mit gleichen Bedürfnissen und
Vorstellungen vom Leben wären.
Da prallt „modern“auf „vorgestrig“, da wird mit Streitschriften wie „Dein Kind braucht dich“oder „Seid modern, arbeitet, tappt nicht in die Armutsfalle“polemisiert. Als ob eine Frau nicht eine exzellente Mutter sein kann, wenn sie erwerbstätig ist. Als ob es je „vorgestrig“sein könnte, wenn eine Frau ihr Kind in den ersten und wichtigsten Jahren seines Lebens selbst betreut. Vorgestrig kann da maximal sein, dass sie, wie eine Leserin einmal schrieb, „ökonomisch gesehen eine Idiotin ist, weil sie mit drei Kindern der öffentlichen Hand Krippenkosten von rund 150.000 Euro ersparte und auf ihr Einkommen verzichtete“.
Die Frauenministerin hat sich übrigens eine Aussage geleistet, die kaum eine Vorgängerin je über die Lippen gebracht hätte. Eine Vorzeigefrau, sagte sie, könne auch eine sein, die zu Hause bleibe, um sich ganz den Kindern zu widmen. Wie wohltuend, dass da eine erwerbstätige Frau einen anderen Lebensentwurf als A gleichwertig akzeptiert. nstelle polemischer Debatten über die Wertigkeit von Lebensmodellen sollten sich Mütter solidarisieren und sich nicht mehr vom Mythos erdrücken lassen, dass eine gute Mutter selbstverständlich immer aufopfernd, selbstlos und gütig zu sein hat. Ein Mythos, der schon zu viele Mütter dazu verführte, in die Perfektionsfalle zu laufen, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn nicht alles bestens läuft. Eine Haubenköchin hat in einem Interview erzählt, warum sie ihr Restaurant geschlossen hat. „Meine Gäste werden mich vergessen“, sagte sie, „aber wenn ich meine Tochter vernachlässige, kann ich das nie mehr aufholen.“
Welche Mutter beginnt da nicht zu schlucken. Ein solcher Befund bohrt sich ins Herz, weil kaum eine erwerbstätige Mutter das Gefühl der Zerrissenheit als ständigen Begleiter nicht kennt. Wer will nicht dabei sein, wenn das Kind die ersten Schritte macht oder stolz erstmals drei Meter mit dem Rad schafft. Welche Mutter will nicht ungestresst ein brüllendes Kind beruhigen, um dann innig umarmt zu werden. Oder jene Wunderwuzzi-Mama sein, die erfolgreich berufstätig und gute Mutter von drei Kindern ist, schlanke Beine hat, blondes Haar, das sich von selbst wellt, immer gut aufgelegt ist und alles problemlos mit fünf Stunden Schlaf schafft, wie eine Therapeutin einmal das Wunschbild mancher Männer skizzierte.
Also Mütter, strengt euch an! Nehmt euch ein Vorbild an den Wunderwuzzi-Mamas in Illustrierten. Gegen solche Bilder, gegen solche unrealistischen Vorgaben sollten alle kämpfen. Vor allem Karrierefrauen sollten nicht vorgaukeln, problemlos alles zu schaffen, sie sollten sagen, dass Mütter andere Arbeitsbedingungen brauchen als Frauen ohne Kinder. Dass Personalchefs von ihrem Anwesenheitsfetischismus abrücken und offener gegenüber flexiblen Arbeitszeiten sein sollten. Weil Kinder keine seelenlosen Pakete sind, die abgegeben und abgeholt werden können. Damit irgendwann der jahrzehntealte Befund des Soziologen Ulrich Beck als überholt angesehen werden kann. Frauen könnten sich, sagte er, zwar über verbale Aufgeschlossenheit gegenüber ihren Bedürfnissen freuen, würden aber gleichzeitig auf weitgehende Verhaltensstarre stoßen. Es hilft Frauen nicht wirklich, wenn ein IT-Unternehmen die Kosten für das Einfrieren von Eizellen oder den Transport der abgepumpten Muttermilch zum Säugling übernimmt, wenn die Mutter sich auf Dienstreise befindet.
Für das Aufbrechen der Verhaltensstarre bei Mütterpensionen, in Betreuungs- oder Arbeitszeitfragen wäre aber ein Schritt Voraussetzung, der bis heute fehlt. Dass Müttern, wie es einmal eine Soziologin formulierte, gezollt wird, was ihnen gebühre: Anerkennung und Würdigung ihrer Leistung, die sie alle für den Erhalt der Gesellschaft erbringen. Diese Anerkennung, meinte sie resignierend, geschehe selten oder gar nicht.
Wer stellt auch die Frage, was ohne die Leistungen der meisten Mütter passieren würde. Ja was? Das ganze System würde kollabieren.
Glückliche Mütter sind erwerbstätig
und haben glückliche Kinder, frustrierte Mütter stehen am Herd und haben unglückliche Kinder. Oder verhält es sich umgekehrt? Viel Stoff für Polemik, die die wirklich wesentlichen Fragen
von Müttern vergessen lassen.
Von Carina Kerschbaumer