Terrorakt im Herzen der Stadt erschüttert Paris
Ein 20-jähriger Attentäter hat in Paris einen Menschen erstochen und vier andere verletzt. Die Bluttat weckt furchtbare Erinnerungen.
Der Terror ist nach Paris zurückgekehrt. Und am Tag nach dem Blutvergießen zeigt sich: Der Plan des Attentäters ist aufgegangen. Der 20-jährige Khamzat A. hat erreicht, was er wollte. Er hat nicht nur am Samstagabend im Herzen der Stadt einen neun Jahre älteren Mann erstochen. Er hat nicht nur vier Personen verletzt, zwei davon schwer, bevor er selbst im Feuer der Polizei starb. Der Franzose tschetschenischer Herkunft hat vor allem auch erreicht, worauf Terror in erster Linie abzielt.
Mit einem blutigen Küchenmesser in der Hand hat der den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder bekannte Mann in Paris Angst und Schrecken verbreitet, Panik ausgelöst. Noch gestern Nachmittag steht Augenzeugen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Was sie über den von der Terrormiliz „Islamischer Staat“reklamierten Anschlag erzählen, fügt sich zu einem Bild des Grauens.
Nicht weit von der Pariser Oper zückt Khamzat A. demnach gegen 20.45 Uhr das Messer. Ort und Zeit scheinen mit Bedacht gewählt. In den von Kneipen, Kinos, Konzertsälen und Restaurants gesäumten Straßen herrscht am Samstagabend dichtes Gedränge. Und wie die vor zweieinhalb Jahren verübte Anschlagsserie auf Pariser Caféterrassen und den Musikklub Bataclan gezeigt hat: Gerade auch ihnen, den Amüsement suchenden Müßiggängern, gilt der Hass gewaltbereiter Salafisten.
Festen Schrittes geht der Mann auf Passanten zu, die in alle Richtungen auseinanderstieben. „Allahu akbar“, ruft er, „Gott ist groß.“Bald sei nicht mehr auszumachen gewesen, wer wen verfolge, wer vor wem fliehe, erzählt die Kellnerin eines unweit des Tatorts gelegenen japanischen Restaurants. Sie habe nur noch Schreie und Schläge vernommen.
Jonathan, der ein paar Häuser weiter in einer koreanischen Gaststätte angestellte Kollege, den Täter noch vor sich: „Braune Haare, ein nicht gestutzter Bart, schwarzer Jogginganzug, marschiert der Mann die Geschäfte entlang, ein blutiges Messer in der Hand.“
Ein Passant, der sich in Sicherheit bringen konnte, schildert, wie Menschen aus einem Hotel „Berge von Verbandszeug brachten, eine am Boden liegende Frau versorgten.“Das Ende des Blutvergießens verlief offenbar so, wie es der Täter gewollt hatte. Den Märtyrertod strebte er an. Mit gezücktem Messer rannte er auf Polizisten zu, die ihm mit gezogenen Feuerwaffen den Weg verstellten. „Schießt, tötet mich, sonst töte ich euch“, soll der blutüberströmte Mann Augenzeugen zufolge gerufen haben. Der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt, François Molins, hofft, mithilfe der in Polizeigewahrsam genommenen Eltern des 2016 eingebürgerten Täters Aufschluss über Hintergründe des Anschlags zu gewinnen. Aus Sicherheitskreisen verlautet, die Tatwaffe stamme möglicherweise aus der elterlichen Küche.
Frankreich wird sich den Feinden der Freiheit auf keinen Fall
beugen.
Emmanuel Macron,
Staatspräsident
Als tröstlich wird gestern vermerkt, dass es hätte schlimmer kommen können. Vier Minuten nachdem ein Augenzeuge Alarm ausgelöst hatte, trafen Polizisten bereits am Tatort ein, weitere fünf Minuten später ersieht
schossen sie den Täter. Regierung und Opposition sind sich einig: Schneller, besser hätten die Sicherheitskräfte kaum reagieren können. Staatschef Emmanuel Macron preist den Mut der Polizei und versichert, dass Frankreich sich „den Feinden der Freiheit nicht beugen wird“.
Innenminister Gérard Collomb rühmt die Kaltblütigkeit, Laurent Wauquiez, Chef der konservativen Républicains, die Effizienz der Beamten. Was den Konservativen freilich nicht hindert, von der Regierung rechts-, wenn nicht verfassungswidrige Maßnahmen gegen Gefährder zu fordern, wie Vorbeugehaft für verdächtige Franzosen und Abschiebung für verdächtige Ausländer.
Regierungssprecher Benjamin Griveaux richtet den Blick derweil nach vorne, appelliert an die Bevölkerung, wachsam zu sein. Als wäre sie nach dem Anschlag nicht schon alarmiert genug. Seit Anfang 2015 sind in Frankreich bei Terroranschlägen bereits 245 Menschen ums Leben gekommen. In den Gefängnissen des Landes sitzen 420 wegen Terrorismus verurteilte Häftlinge ein – mehr als je zuvor.