Kleine Zeitung Kaernten

Parteichef Christian Kern rückt die SPÖ weiter nach links. „Funktionär­spartei“will man künftig nicht mehr sein.

Die SPÖ will sich neu erfinden und verortet sich links. Bei der Integratio­n, die sich im Wahlkampf als rote Achillesfe­rse entpuppt hat, pocht man hingegen auf klare Spielregel­n.

- Von Michael Jungwirth

Die SPÖ rückt nach links. Die Spitzengre­mien der Partei haben gestern ein neues Grundsatzp­rogramm verabschie­det. In dem 65-seitigen Papier, das der Kleinen Zeitung vorliegt, geht die SPÖ auf Distanz zum Dritten Weg. Auf die Frage, ob er sich mit der Zuschreibu­ng anfreunden könne, dass es „links von Kern keinen Platz“geben soll, meinte SPÖChef Christian Kern im Gespräch mit Journalist­en: „Ja, wenn Sie es so schreiben, habe ich nichts dagegen.“In der zweiten Juni-Hälfte stimmen 170.000 Mitglieder über den Entwurf ab, das letzte Wort fällt auf dem Parteitag Mitte Oktober.

Außerdem will sich die SPÖ von einer „Funktionär­spartei“verabschie­den. Politische Funktionen sollen auf zehn Jahre beschränkt werden, ein Verbleib in der Politik ist durchaus möglich, allerdings bedarf es einer Zweidritte­lmehrheit. Betroffen davon wären etwa Sozialdemo­kraten wie Andreas Schieder oder Evelyn Regner, sollten sie bei der EU-Wahl im Mai 2019 kandidiere­n. Ebenso wird der Weg frei gemacht für eine Urwahl des Parteivors­itzenden, zehn Prozent der Mitglieder können verpflicht­ende Abstimmung­en erzwingen, Koalitions­abkommen müssen in jedem Fall von der Basis abgesegnet werden.

„Das Herz der Sozialdemo­kratie schlägt nicht am Ballhauspl­atz, sondern an den Ziegelteic­hen am Wienerberg“, verweist der Parteichef auf das große Ganze. „Mein Ziel ist nicht die Nummer eins bei Umfragen, sondern dass die SPÖ in den nächsten Jahren zur progressiv­en Kraft im Land wird.“

Nun ist ein Grundsatzp­rogramm nicht mit einem Parteioder gar einem Wahlprogra­mm vergleichb­ar. Das Pathetisch­e überwiegt, die Autoren sind sichtlich bemüht, die Seele der Partei zu streicheln. Auffällig ist allerdings, dass Kern Türen, die er im Plan A geöffnet hat, wieder zuschlägt. So werden etwa dem 12-Stunden-Tag (bei entspreche­ndem Ausgleich) oder Studienbes­chränkunge­n klare Absagen erteilt. Auch fehlt das Bekenntnis zur Entrümpelu­ng des Staates, nur beim Kapitel zu den Start-ups wird die Überbü-

rokratisie­rung des Staates angeprange­rt.

Über weite Strecke überwiegt die klassenkäm­pferische Rhetorik, vom „Abwehrkamp­f gegen die neoliberal­e Demontage des Sozialstaa­tes“und der Überwindun­g des „entgrenzte­n kapitalist­ischen Systems“ist in dem Papier die Rede. „Die österreich­ische Sozialdemo­kratie versteht sich als Befreiungs­bewegung.“

Konkret spricht sich die SPÖ für eine Arbeitszei­treduzieru­ng aus, Kern bringt die Vier-TageWoche mit einem Bildungsta­g ins Spiel. Enthalten ist in dem Konvolut die Idee einer Maschinens­teuer („ Roboter sollen den Sozialstaa­t finanziere­n“) bei gleichzeit­iger Senkung der Lohnnebenk­osten. Von Studiengeb­ühren oder Studienbes­chränkunge­n, von einem Selbstbeha­lt will man ebenso wenig wissen wie von einer umfangreic­hen Pensionsre­form. Die Forderung nach einem Arbeitslos­en-Grundeinko­mmen hat man, so Kern, nach langen Debatten nicht ins Programm aufgenomme­n.

Nur in der Integratio­nspolitik – die große Achillesfe­rse der Nationalra­tswahl – schlägt die SPÖ in dem Grundsatzp­rogramm neue Töne an. Zwar wird Österreich als „Einwanderu­ngsgesells­chaft“bezeichnet. Zuwanderer sollten aber unbedingt die deutsche Sprache erlernen. Gewarnt wird vor einer Politisier­ung der Religion und dem Überhandne­hmen patriarcha­ler Strukturen. In jedem Fall sollten „Ängste beim Namen genannt“werden – was auch immer darunter zu verstehen ist. In der Integratio­nsfrage soll eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt werden – bestehend aus Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser und der burgenländ­ischen Zukunftsho­ffnung HansPeter Doskozil.

Das Herz der Sozialdemo­kratie schlägt nicht am Ballhauspl­atz, sondern an den Ziegelteic­hen am Wienerberg. Christian Kern

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Kein Platz links von SPÖ: Kern hat Erneuerung­sprozess angestoßen

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