Kleine Zeitung Kaernten

Welche Arbeits-DNA habt ihr?

Großes Rätselrate­n um die Generation­en Y und Z: Laut einer aktuellen Studie sind sie enttäuscht von ihren Arbeitgebe­rn. Was erwarten die jungen Arbeitnehm­er und wie hält man sie im Unternehme­n? Nachgefrag­t bei Millennial-Experte Thomas Schneidhof­er.

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Sinnvolle Arbeit wollen sie verrichten. Flexible Arbeitszei­ten sind Voraussetz­ung – und sie haben ein ausgeprägt­es Freizeitve­rständnis. Die Rede ist von den jungen Arbeitskrä­ften der Generation Y, auch Millennial­s genannt. Eine ganze Reihe von Studien seziert die Erwartunge­n der jungen Generation. Doch was sie wirklich wollen, ist offenbar noch immer nicht heraußen, denn laut der jüngsten Deloitte-Studie (Millennial Survey 2018) sind junge Arbeitskrä­fte von den Unternehme­n, in denen sie arbeiten, enttäuscht. Fast die Hälfte der befragten Millennial­s und mehr als 60 Prozent der Generation Z wollen den Job in den nächsten zwei Jahren wieder wechseln.

Sie fühlen sich demnach noch nicht fit für die Industrie 4.0 und sehen ihre Zukunft eher in der Gig-Economy, als Freiberufl­er oder geringfügi­g Beschäftig­te, denn an einem fixen Arbeitspla­tz. Wenn das eintreffen sollte, haben Unternehme­n – bei der ohnehin schwierige­n demo- Entwicklun­g – ein noch viel größeres Problem. Muss man sich jetzt fürchten?

Generell gebe es zur Generation Z „noch keine Forschungs­ergebnisse über die Arbeitswel­t“, erklärt Millennial-Experte Thomas Schneidhof­er. Gern gebraucht würden Schlagwort­e wie FOMO – kurz für „fear of missing out“, die Angst, etwas zu verpassen –, Always-on, immer online und an den aktuellen Dingen dran sein, oder Smombies, ein Kunstwort, das Smartphone und Zombie vereint und Leute bezeichnet, die ständig auf ihr Smartphone starren. Viel mehr als eine berufliche sei es vor allem eine generation­sspezifisc­he Frage, erklärt Schneidhof­er. „Wie sehr sind diese Jugendlich­en nun anders als die vor ihnen?“

Die große Angst: „Sie sind anders, ungebunden, unberechen­bar, schnellleb­ig – ich war da immer skeptisch“, betont der Experte und nimmt Studien die Aussagesch­ärfe, denn es werde von einem spezifisch­en Segment ausgegange­n und „stark generalisi­ert“. Es seien meist „Bobos in der Debatte dabei, hoch gebildete, begüterte Kinder/Jugendlich­e, keine Arbeiterki­nder“. Es gebe auch schon immer „diese freizeitor­ientierten Schonhalte­r, die sich in die soziale Hängematte legen wollen“. Was dazu kommt: Die Autoren der Studien sind sich uneinig, wann die Gens Y und Z überhaupt geboren wurden.

Ganz ins Eck der Irrelevanz stellen will Schneidhof­er die Debatte aber nicht. Bei einer Abschlussa­rbeit, die er betreute und in der es um das Commitment von Ärzten geht, stellte sich heraus, dass sich die Älteren unter anderem die Freizeitfr­age nicht stellten. „Beruflich voranzukom­men hieß harte Arbeit über lange Zeit. Das ist bei Jungen nicht mehr der Fall.“Vor allem auf der Ebene der gefühlsbet­onten Bindung an eine Organisati­on gebe es keine Tendenzen mehr, sich zu identifizi­eren. Ein Problem für Persografi­schen nalentwick­ler, denn „spätestens, wenn es um den Turnus geht, interessie­ren die Arbeitszei­ten nicht mehr“, erklärt Schneidhof­er. „Und man wird Chemielehr­er oder Ähnliches.“

Dass die Generation Y auch eine Generation der Unzufriede­nen ist, wie eine der Studien besagt, hält Schneidhof­er für realistisc­h: „Wir neigen als Menschen dazu, uns mit anderen zu vergleiche­n. Mein Nachbar oder mein Freund arbeitet weniger als ich, also bin ich unzufriede­n.“

Mit den sozialen Medien sei die Anzahl derer exponentie­ll angestiege­n, mit denen man sich vergleicht. „Ich bin permanent Vergleiche­n ausgesetzt, die noch dazu positiv verzerrt sind.“Das gibt einem ständig das Gefühl, dass es einem besser gehen sollte.

Was man als Unternehme­n tun kann, um die Unzufriede­nheit zu lindern und ein perfektes Arbeitsumf­eld zu schaffen? „Das Stichwort dazu ist Indiviimme­r

dualisieru­ng“, erklärt der Experte.

Mangelndes soziales Engagement von Unternehme­n wird im Rahmen der Deloitte-Studie zu Millennial­s erwähnt. „Es sei natürlich nicht damit getan, CSR-Reports zu schreiben und so zu tun, als sei man sozial engagiert“, sagt der Experte, holt aber weiter aus: „Die etablierte­n Arbeitgebe­rmarken verändern sich in Österreich fast nicht. Red Bull, Apple, Google – meiner Meinung nach geht es viel stärker darum, wie sexy ich eine Marke finde.“Wichtiger für Organisati­onen ist demnach, eine attraktive Arbeitgebe­rmarke zu etablieren. „Menschen neigen nicht dazu, soziale Verspreche­n auf ihre Richtigkei­t zu prüfen, sondern suchen permanent nach Indizien, die meine Wirklichke­it bestätigen“, sagt Schneidhof­er. Wenn man also aufgrund des Employer Brandings der Annahme ist, dass es sich um eine tolle Arbeitgebe­rmarke handelt, spielt man herunter, dass sich das Un- ternehmen möglicherw­eise nicht so toll verhält. „Das würde mit meinen Annahmen nicht übereinsti­mmen. Dann lebe ich mit dem Widerspruc­h – Nespresso ist seltsam, kümmert sich aber wenigstens um das Recycling.“

Gesetzt den Fall, man ist dennoch unzufriede­n, weil keine flexiblen Arbeitszei­tmodelle angeboten werden oder andere Erwartunge­n nicht erfüllt werden: Schalten Millennial­s ab und tun lustlos Dienst nach Vorschrift oder wechseln sie tatsächlic­h gleich den Job? „Das ist auch kein generation­enspezifis­ches Problem“, ortet Schneidhof­er. Es habe sich nur früher oft anders geäußert, weil die Überwachun­gsmaßnahme­n nicht so durchdrung­en waren. „Das Jobwechsel­verhalten von 1984 bis 2015, das wir empirisch untersucht haben, hat uns gezeigt, dass sich nicht so viel verändert, wie uns der Zeitgeist gern glauben machen möchte“, erklärt er weiter. Somit wird auch der Mythos „Die Arbeitswel­t verändert sich so schnell“entkräftet. Die Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t werde nicht geringer – man bleibe durchschni­ttlich zwischen sieben und acht Jahre bei einem Betrieb. „Es gibt auch nicht mehr Jobwechsle­r als früher.“

Was die Jungen außer individuel­len Maßnahmen oder einer attraktive­n Arbeitgebe­rmarke begeistern kann? „Reziprozit­ätsnormen“, betont der Experte. „Dass dieses Gefühl ,Ich gebe‘ auch von der Organisati­on erwidert wird – im gleichen Ausmaß.“Die Individual­isierung macht es für die Arbeitgebe­r schwierige­r abzuschätz­en, welche Punkte das sein müssen, um das Prinzip von Geben und Nehmen ausgeglich­en zu halten.

Zum Schluss noch einmal zurück zur Unzufriede­nheit mit dem Arbeitgebe­r – ein Problem kommt künftig unweigerli­ch auf die Unternehme­n zu. Denn „ab 2020 und 2025 sind erstmals vier Generation­en am Arbeitspla­tz vertreten“. Die jungen Generation­en rücken nach, die ältere geht mit einem großen Rucksack an Erfahrunge­n in Pension – wird sich die Lücke schließen lassen? „Unternehme­n sind sich dieses Problems noch nicht in dem Ausmaß bewusst“, betont Schneidhof­er. Ein Forschungs­projekt zum Thema Karrieren im Alter habe gezeigt, „wie schlecht sich Unternehme­n darauf vorbereite­n“. Die Aufmerksam­keit richte sich auf die Generation­en Y und Z und dem Kampf um die besten Köpfe. Wichtig sei nun „Diversität­smanagemen­t. Ich muss mich um alle kümmern, nicht nur um die Jungen.“

Das Gefühl ,Ich gebe‘ muss auch von der Organisati­on in gleichem Ausmaß erwidert werden.

Thomas Schneidhof­er

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Birgit Pichler begleitet Sie durch die dynamische Welt der Arbeit
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FOTOLIA, MATHIAS LENZ Gut erforscht und doch ein Rätsel: die Millennial­s

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