„MINI-WM“-AUFTAKT:
ÖSTERREICH FORDERT WM-GASTGEBER RUSSLAND
Erste Spuren wurden bereits in der Kindheit gelegt. Er muss ungefähr sechs gewesen sein, erinnert sich Rupert Everett, als ihm seine Mutter „The Happy Prince“als Gutenachtgeschichte vorlas. „Es gibt kein größeres Geheimnis als das Leiden“, sagt Oscar Wilde in diesem Märchen, und noch heute hat der Schauspieler aus Norfolk die Zeile „Schwalbe, Schwalbe, kleine Schwalbe“im Ohr. Den beiden kamen immer die Tränen in die Augen, als die Schwalbe starb. Nachdem Wilde wegen „homosexueller Unzucht“im Gefängnis gelandet war, sprach er sich dieses Märchen immer wieder vor. Um nicht verrückt zu werden.
Nur vorübergehend geriet der geniale Dichter in Everetts Le-
ben in Vergessenheit: „Das war, als ich zur Erziehung in einem katholischen Kloster war. Und später, an der Schauspielschule, spielten wir „Lady Windermeres Fächer“, fanden es aber antiquiert. Wir wollten lieber Beckett oder Brecht. Erst, als mir Richard Ellmanns Wilde-Biographie in die Hände fiel, in der dessen letzte Jahre beschrieben wurden, die er total verarmt in Paris verbrachte, erwachte meine Leidenschaft für ihn aufs Neue und hörte nie wieder auf.“
Diese letzten Jahre waren es auch, die Everett faszinierten, und so lässt er den Film „The Happy Prince“als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller an Wildes Totenbett beginnen, wo die Bilder seines Lebens an ihm vorbeiziehen: „Für mich viel interessanter als die Zeiten der Glorie, der großen Erfolge und sein Dasein als Partykönig in London. Sein verrücktes Leben geriet zur Tragödie. Eine menschliche, berührende, faszinierende Story. Er endete in Paris als gebrochener Mann. Gleichwohl sehe ich ihn als den größten Vagabunden des 19. Jahrhunderts.“Und: „Er war der Beginn der Schwulenbewegung“, sagt Everett, selbst homosexuell. Im Gefängnis in
London war die Kreativität des Dichtergenies erloschen. Selbst formulierte er das so: „Ich habe geschrieben, als ich noch nichts über das Leben wusste. Nun, da ich das Leben kenne, gibt es nichts mehr zu schreiben.“
Nachdem Everett Wildes Stücke an vielen Bühnen gespielt hatte, wurde sein Drang, einen Film zu machen, immer intensiver. 2009 begann er mit dem Drehbuch. Als Produzent Scott Rudin ihm Philip Seymour Hoffman als Hauptdarsteller vorschlug, habe ihn der Schlag getroffen. „Ich hatte die Rolle doch für mich geschrieben!“Dann sagten acht Regisseure ab. Also beschloss er, auf jeden Fall selbst zu inszenieren. Doch woher das Geld nehmen? Der berühmte Zufall kam ihm zu Hilfe, nämlich ein Engagement für die Theaterproduktion „The Judas Kiss“im Jahr 2014, in dem Everett just Oscar Wilde verkörpern durfte. Es wurde ein Riesenerfolg: „Zwei Jahre später fiel die erste Klappe für den Film. Die größte Hilfe war mein alter Freund Colin Firth. Sein Name brachte die Geldquellen zum Sprudeln.“Wird es eine zweite Regiearbeit geben? „Ja. Ich mag es, mit mir als Regisseur zu arbeiten.“