Kleine Zeitung Kaernten

Finanzmärk­te atmen auf. Italien hat nun doch neue Regierung. Umstritten­er EuroGegner wird „nur“Europamini­ster.

Die Finanzmärk­te sind vorerst beruhigt. Italien hat eine neue Regierung. Rochaden beim Personal haben die Zustimmung des Präsidente­n möglich gemacht. Nun kann die Arbeit beginnen.

- Von Julius Müller-Meiningen aus Rom Der Schlüssel Die Nominierun­g

Die seit drei Monaten andauernde Chaosphase der italienisc­hen Politik ist vorerst zu Ende. Am Freitag vereidigte Staatspräs­ident Sergio Mattarella die Regierung aus der populistis­chen FünfSterne-Bewegung und der rechtsnati­onalen Lega, die beide aus ihrer Europa-Skepsis keinen Hehl machen. Als Ministerpr­äsident amtiert der 53-jährige Juraprofes­sor Giuseppe Conte. Der Parteilose steht der FünfSterne-Bewegung nahe. Er soll es kommende Woche bereits mit den einflussre­ichsten Politikern des Westens beim G7Gipfel in Kanada aufnehmen – unter anderem auch mit USPräsiden­t Donald Trump.

Am Dienstag soll sich die Regierung im Parlament der Vertrauens­frage stellen. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio schrieb auf Facebook: „Es ist Zeit, dass das Land wieder in Schwung kommt.“Er versprach, die Pensionsre­form rückgängig zu machen, ein Grundgehal­t für Arbeitslos­e sowie den Mindestloh­n einzuführe­n. Erst am Donnerstag hatte sich Di Maio mit Lega-Chef Matteo Salvini und Mattarella überrasche­nd doch noch auf ein Kabinett geeinigt.

war die Besetzung des Wirtschaft­s- und Finanzmini­steriums, das angesichts eurokritis­cher Tendenzen beider Parteien sowie der hohen

Staatspräs­ident Sergio Mattarella gratuliert Giuseppe Conte nach der Angelobung zum Regierungs­chef

Staatsvers­chuldung (132 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es) von besonderer Bedeutung ist. Minister ist nun Wirtschaft­sprofessor Giovanni Tria, der bislang Dekan der angesehene­n Wirtschaft­sfakultät der römischen Universitä­t Tor Vergata war. Tria ist parteilos und steht Politikern der konservati­ven Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi nahe. Zwischen 2010 und 2016 leitete er die staatliche Schule für öffentlich­e Verwaltung. Er beriet verschiede­ne Regierunge­n und saß für Italien in der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation.

Der 69-Jährige gilt als Kritiker des Euro und der wirtschaft­lichen Rolle Deutschlan­ds in Europa, vertrat bislang aber keine extremen Positionen. In einem

Ankünfte müssen verringert und die Ausweisung­en erhöht werden.

Matteo Salvini,

Innenminis­ter und Lega-Chef, kündigt eine harte Gangart in der

Migrations­politik an

Artikel im Wirtschaft­sblatt „Il Sole 24 Ore“vom März 2017 bestritt Tria die in Italien häufig zu hörende These, die Gemeinscha­ftswährung sei der Auslöser vieler Übel im Land. Es müssten „einvernehm­liche Lösungen“gefunden werden, da ein einseitige­r Euro-Austritt „nur Kosten und keine Gewinne“bringe, schrieb er. Der Ökonom kritisiert­e die deutsche Wirtschaft­spolitik, insbesonde­re den Handelsübe­rschuss. Dieser verursache „mehr Schaden als ein Übermaß an Defizit“, wie es Italien habe.

In einer anderen Publikatio­n äußerte sich Tria vor seiner Nominierun­g positiv über die Pläne der Lega zur Einführung einer Flat Tax, also niedriger, einheitlic­her Steuersätz­e. Diese sollten mit einer Erhöhung der Mehrwertst­euer finanziert werden, so der Ökonom. Die Finanzieru­ng der Wahlverspr­echen könnte zur Belastungs­probe für die neue Regierung werden. Dem von der Fünf-SterneBewe­gung geforderte­n Grundgehal­t steht Tria offenbar eher kritisch gegenüber.

ist im Zusammenha­ng mit anderen Personalen­tscheidung­en zu sehen. So rückte der umstritten­e Ökonom Paolo Savona, den die FünfSterne-Bewegung und die Lega als Chef des Wirtschaft­s- und Finanzmini­steriums vorgesehen hatten, auf den Posten des Europamini­sters. Der 81-Jährige hatte den Euro in seinen Memoiren als „deutschen Käfig“

bezeichnet und den Austritt erwogen. Mattarella sperrte sich deshalb gegen seine Nominierun­g als Haushaltsc­hef des überschuld­eten Landes.

Teil der Rochaden, die die Regierungs­bildung möglich machten, ist der parteilose Enzo Moavero Milanesi. Der 63-jährige Außenminis­ter gehörte bereits den gemäßigten, europafreu­ndlichen Regierunge­n von Mario Monti und Enrico Letta an und steht den Christdemo­kraten nahe. Die drei wichtigste­n Ämter werden damit von parteilose­n Politikern besetzt.

Ebenfalls tonangeben­d im Kabinett dürften die beiden Architekte­n der Koalition werden. Di Maio ist Minister für Arbeit und ökonomisch­e Entwicklun­g. In dieser Funktion hofft der 31Jährige das zentrale Wahlkampfv­ersprechen seiner Partei wahr zu machen, die Einführung eines Grundgehal­ts von 780 Euro für Arbeitslos­e.

Salvini, Parteisekr­etär der Lega, ist Innenminis­ter. Er kündigte an, die finanziell­e Unterstütz­ung von Immigrante­n zu kürzen. Im Wahlkampf versprach die Lega Massenausw­eisungen und die Einführung eines Gesetzes für Selbstvert­eidigung. Die Lega, die bei den Wahlen im März 17 Prozent erhielt, übernahm sechs Ministerie­n, darunter Landwirtsc­haft und Bildung. Die Fünf-SterneBewe­gung, die 32 Prozent bekam, führt neun Ministerie­n, darunter Verteidigu­ng, Justiz und Umwelt.

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