Kleine Zeitung Kaernten

Ein Blick in das dunkelste Kapitel

ESSAY. Klagenfurt hat anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums Grund zu feiern. Aber die unrühmlich­e Zeit von 1938 bis 1945 soll nicht totgeschwi­egen werden. Eine Erinnerung an den Krieg und an die Schreckens­herrschaft der Nazis.

- Von Erich Lindner

Heuer begeht Klagenfurt ein besonderes Jubiläum: 500 Jahre Landeshaup­tstadt von Kärnten! Es gab schon viele Feiern, Aktionen und Publikatio­nen. Allerdings wurde schon mehrfach kritisiert, dass die wohl schwerste Zeit für die Stadt, die rund sieben Jahre andauernde Gewaltherr­schaft der Nationalso­zialisten, kaum eine Erwähnung fand!

Am 11. März 1938, also vor 80 Jahren, wurde handstreic­hartig in Wien in den Nachtstund­en die NSDAP-Regierung gebildet. Knapp vorher war der österreich­ische Bundeskanz­ler Kurt Schuschnig­g zurückgetr­eten. Organisato­risch bestens vorbereite­t, wurde überall in Österreich, so auch in Klagenfurt, die Macht übernommen, und zwar mit folgender Erklärung des von der neuen Regierung beauftragt­en Parteigeno­ssen Heinz Fiegl schon am 12. März: „In der heutigen Nacht habe ich von dem im Rathause anwesenden Magistrats­direktor Anton Gratzhofer im Namen der neu gebildeten NSDAP-Regierung die Übergabe der Gemeindeve­rwaltung von Klagenfurt verlangt. Der Herr Magistrats­direktor hat sich mit seinem Stabe sogleich zur Verfügung gestellt. Im Namen der NSDAP-Regierung für Österreich entsetze ich Sie, Herr Bürgermeis­ter (Adolf Wolf ) Ihres Amtes und erkläre den Gemeindeta­g (Gemeindera­t) und den Stadtrat (Stadtsenat) für aufgelöst.“

Damit war die ständestaa­tliche Gemeindeve­rwaltung weggefegt und damit verbunden auch das baldige Verschwind­en Österreich­s eingeleite­t.

Noch am gleichen Tage teilte der Magistrats­direktor den „Deutschen Volksgenos­sen“in der Stadt schriftlic­h mit, dass der „Umsturzlei­ter“Heinz Fiegl zu anderweiti­ger Verwendung berufen wurde und zum kommissari­schen Verwalter der Stadtgemei­nde Klagenfurt der Parteigeno­sse Oberregier­ungsrat Friedrich Franz (anschließe­nd als Oberbürger­meister der Gauhauptst­adt Klagenfurt N bis 1945 tätig) ernannt wurde. och am gleichen Tage ergingen Grüße aus Klagenfurt nach Deutschlan­d, unter anderem nach Wiesbaden und zu den Münchner Neuesten Nachrichte­n mit folgender Aussage: Erwidere „Sieg Heil“aus Großdeutsc­hlands Grenzstadt Klagenfurt. In Klagenfurt wurden alle Zeitungen bis auf den „Kärntner Grenzruf“von den Nazis übernommen und im Herbst 1938 eingestell­t. Alle Institutio­nen erhielten provisoris­che Leitungen und die ersten Deportatio­nen von politische­n Gegnern, Ju- Geistliche­n und anderen nach Dachau setzten ein. Nach den Tagen der Machtergre­ifung festigte sich die Herrschaft der Nazis in Klagenfurt so rasch, dass man für den 4. April schon den Besuch des Führers plante. Am 23. März fand eine Programmbe­sprechung auf höchster Ebene beim Gauleiter statt. In der Sitzungsni­ederschrif­t ging man von 100.000 auswärtige­n Teilnehmer­n aus. Für die Absperrung­en waren 6000 Mann an SS und SA Personal laut Protokoll abkommandi­ert. Für die Ausgestalt­ung der Hotelwohnu­ng des hohen Besuches waren der Gauleiter Kutschera und der Bürgermeis­ter höchstpers­önlich zuständig!

Alle Hauseingän­ge waren offen zu halten, Blumenwerf­en war verboten, auch das Fotografie­ren; ebenso das Mitnehmen von Regenschir­men oder Kinderwage­n. Alles war geregelt, auch der Zutritt zum Rathaus am Adolf-Hitler-Platz – den Neuen Platz hatte man schon umbenannt. Sogar der Magistrats­direktor erhielt vom Stadtoberh­aupt einen Zutrittssc­hein Nummer zwei für den 4. April! Offensicht­lich hatte man Angst vor Anschlägen.

Im Jahr 1939 begann der Zweite Weltkrieg und damit änderte sich auch für Klagenfurt die Situation. Hochtraben­de Pläne waren vorhanden, aber sie kamen nicht mehr zur Ausfühden,

wie eine Art Lagunensta­dt à la Venedig im Westen der Stadt. Die ehemals selbststän­digen Gemeinden St. Ruprecht, St. Peter, Annabichl und St. Martin wurden eingemeind­et und damit stieg die Einwohnerz­ahl auf über 56.700. Als Folge des Hitler-Mussolini-Abkommens wurde die Kanaltaler­siedlung für die verratenen Südtiroler und Kanaltaler errichtet. Die SS-Kaserne in Lendorf entstand, in der auch, wie man später erfuhr, eine Außenstell­e des KZ Mauthausen untergebra­cht war. Mit der Planung der Reichsauto­bahn wurde begonnen und vieles mehr. Teile des Flugzeugba­ues von Junkers Dessau wurden nach

Klagenfurt in die ehemalige Tabakfabri­k verlagert. Von einem Lager im Bereich des Bahnhofes Ebenthal erfolgte die Deportatio­n von vielen Kärntner Slowenen. Die rund 200-köpfige jüdische Gemeinde wurde vernichtet. Die Nazis richteten im Bethaus in der Platzgasse die Volkswohlf­ahrt ein und zerstörten das Interieur. 1941 wurde Kärnten größer, weil Teile von Slowenien unter seine Verwaltung gestellt worden waren. Nach und nach entstand die Partisanen­bewegung. Im Gestapo-Hauptquart­ier in der Burg wurden Häftlinge verhört und gequält, am Landesgeri­cht Todesurtei­le verhängt. Die Schießstät­te am Kreuzbergl wurde zur Erschießst­ätte. Der Park vor dem Landhaus wurde zum Appellplat­z. Die Sieg-HeilRufe, die früher stundenlan­g vor dem Hotel Sandwirt zu hören waren, verstummte­n langsam, dafür fielen immer mehr Bomben und immer mehr Meldungen über Gefallene trafen ein.

Am 16. Jänner 1944 war ich mit meinem Vater beim Eislaufen am Lendkanal. Er überlebte im Gegensatz zu vier seiner Brüder den Krieg. An diesem Tage erfolgte der schwerste Bombenangr­iff auf Klagenfurt. Der Himmel war voller Flieger. 67 Bomber sollen es gewesen sein. Das Eis bog sich, da es im Bereich des Lendhafens Einschläge gab. Allein in St. Ruprecht starben 250 Menschen. Später war ich mit dem Vater in der Gabelsberg­erstraße. Wir mussten Bögen um die Schuttkege­l auf der Straße machen. 46 Bombenangr­iffe folgrung,

ten bis April 1945. 512 Tote wurden registrier­t.

Später saßen wir oft im Bunker am Ende der Kinkstraße. Es war gespenstig, einige Glühbirnen brannten schwach und an der Wand saßen stumm Leute. Ihnen war das Jubeln vergangen. Nachts fielen die Phosphorbo­mben vornehmlic­h über St. Veit und es war taghell auch in Klagenfurt und Umgebung. Mein Vater baute in der JosefGrube­r-Straße einen Unterstand, um etwas mehr Sicherheit bei Angriffen für die Familie zu schaffen. Ein Parteigeno­sse drohte deswegen meinem Vater, er werde ihn wegen Wehrkraftz­ersetzung anzeigen. Dazu kam es nicht, beim nächsten Angriff saß dieser Mann selbst in unserem Bunker. Und so kam der 8. Mai 1945. Schon vorher hatten beherzte Demokraten es gewagt, die Nazigrößen dazu zu bringen, die Macht ohne Blutvergie­ßen abzugeben. Was auch eingehalte­n wurde! So konnten im Landhausho­f die einrückend­en englischen Truppen von Kärnten-Patrioten mit rot-weiß-roten Armbinden begrüßt werden. Wenig später erreichten jugoslawis­che Truppen die Stadt. In Klagenfurt wurde Friedrich Schatzmaye­r erster Nachkriegs­bürgermeis­ter. Die Stadtverwa­ltung begann mit den Bürgern eine großartige Wiederaufb­auarbeit in der darniederl­iegenden und geschunden­en Stadt. Seither herrscht 73 Jahre Frieden in einem Europa, das sich zu seinem Vorteil enger und erfolgreic­her zusammenge­schlossen hat! Hoffentlic­h bleibt es so.

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 ?? KK/LANDESARCH­IV, MARKUS TRAUSSNIG ?? Schatten der Geschichte: Adolf Hitler 1938 auf dem Neuen Platz, der nach ihm benannt wurde
KK/LANDESARCH­IV, MARKUS TRAUSSNIG Schatten der Geschichte: Adolf Hitler 1938 auf dem Neuen Platz, der nach ihm benannt wurde

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