Eine Geste als Ouvertüre im Präsidentschaftsreigen
Das österreichische Regierungsteam macht heute in Brüssel seine Aufwartung. Mit kritischen Tönen ist nicht zu rechnen.
Dass vor Beginn einer Ratspräsidentschaft alle Mitglieder einer Regierung nach Brüssel reisen, ist zwar nicht außergewöhnlich, aber auch keine Selbstverständlichkeit. Österreich will offensichtlich ein Zeichen setzen: Das komplette Regierungsteam reist heute in die EU-Hauptstadt.
Die „Klassenfahrt“wird entsprechend wohlwollend zur Kenntnis genommen. Man sei sehr erfreut über den Besuch, „wir würdigen diese Geste“, sagte ein Sprecher der Kommission. Bei Österreich zeige sich auch, dass man in den nächsten sechs Monaten eng zusammenarbeiten werde. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sei bereits mehrmals mit EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der jüngsten Vergangenheit zusammengetroffen. „Wir sind erfreut, dass diese enge Kooperation fortgesetzt wird.“Es gebe eine gute institutionelle Dynamik, heißt es.
Der Antrittsbesuch dürfte somit auch eher dem Programm des Vorsitzes in der zweiten Jahreshälfte gewidmet sein und nicht den kritischen Tönen, die zuletzt aus Österreich zu hören waren. Vizekanzler und FPÖ-Chef HeinzChristian Strache hatte laut über die Sinnhaftigkeit der Personenfreizügigkeit nachgedacht, Kanzler Kurz gilt als harter Gegner der Kommissionspläne für den mehrjährigen Finanzrahmen. Die Rolle Österreichs in der Beziehung der Europäischen Union zu Russland könnte allerdings – passend zum gestrigen Pu- tin-Besuch in Wien – zu den Themen eines Arbeitsessens gehören, das die Regierungsmitglieder mit allen 28 Kommissaren einnehmen werden. Offiziell auf dem Programm stehen neben den Schwerpunkten der Präsidentschaft die Rechtslage in Polen – hier läuft das bisher einzige EUVerfahren nach Artikel 7 – und der Handelsstreit mit den USA.
Am Vormittag werden die Regierungsmitglieder einen informellen Ministerrat in der ständigen Vertretung halten. Die Vertretung ist die größte, die Österreich im Ausland unterhält. Für den frühen Nachmittag ist eine gemeinsame Pressekonferenz von JeanClaude Juncker und Bundeskanzler Sebastian Kurz am Sitz der Kommission, dem Berlaymont-Gebäude, geplant.