Expertenbericht ortet Versagen auf allen Ebenen
Am 14. Juni 2017 starben im Londoner Grenfell Tower 72 Menschen. Es gab fatale Baumängel und falsche Anweisungen, so neuer Bericht.
Knapp ein Jahr nach dem Großbrand im Grenfell Tower mit 72 Toten im Londoner Stadtteil North Kensington sind in einem nun veröffentlichten Expertenbericht massive Mängel festgestellt worden: und zwar sowohl beim Bau als auch bei den Anweisungen für die Bewohner des bereits brennenden Gebäudes.
Die Fassadenverkleidung des 24-stöckigen Gebäudes sei keinen Brandschutztests unterzogen worden und habe auch nicht den Richtlinien für Gebäudesicherheit entsprochen. Die Anweisung an die Bewohner des Gebäudes, nach Ausbruch des Feuers in ihren Wohnungen zu bleiben, sei auch deshalb fatal gewesen, heißt es in dem Bericht der Brandschutzingenieurin Barbara Lane, Leiterin der Sicherheitstechnik des bekannten Londoner ArupBauunternehmens. Diese Anweisung habe sich bereits nach 30 Minuten als falsch herausgestellt – dennoch sei sie damals für knapp zwei Stunden aufrechterhalten worden.
Die Fassadenverkleidung war demnach für die Ausbreitung des Feuers bzw. für den Ausbruch „zahlreicher interner Brände“sowie für die starke Rauchentwicklung verantwortlich. „Ich komme zu dem Schluss, dass das ganze System die Ausbreitung des Feuers nicht angemessen verhindern konnte“, schreibt Lane. „Es gab zahlreiche katastrophale Wege, die das Feuer nahm, ausgelöst durch die Art der Konstruktion.“Es wäre zwingend gewesen, früh vollständig zu evakuieren.
Bei einer anderen Untersuchung
einer unbeschädigten Wohnungstür im Gebäude war bereits im März klar geworden, dass dieser Typ dem Feuer nicht wie von der Herstellerfirma angegeben 30 Minuten, sondern nur 15 Minuten standhalten konnte. Das im Grenfell Tower eingesetzte Türmodell werde heute gar nicht mehr her-
gestellt, hieß es. Wohnungsbauminister Sajid Javid hatte damals festgehalten, es gebe keine Hinweise darauf, dass zu schwache Wohnungstüren ein „systematisches Problem“seien. Die Polizei habe lediglich eine einzige Tür untersucht. Die Lokalbehörden des Londoner Bezirks Kensington und Chelsea hatten zudem mitgeteilt, die Versuchsergebnisse seien bislang nicht eindeutig.
Der verheerende Brand im Grenfell Tower im Westen Londons war in der Nacht des 14. Juni 2017 ausgebrochen. Brandursache war vermutlich ein defekter Kühlschrank. 72 Menschen kamen ums Leben. Im heurigen Mai haben die Untersuchungen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung der betroffenen Angehörigen der Opfer begonnen. Die zweite Phase der Ermittlungen sieht dann die Aufnahme von Aussagen weiterer Betroffener der Feuerkatastrophe vor. Diese Phase soll bis November dauern.