Kleine Zeitung Kaernten

Problemzon­e Staatsfina­nzierung

ORF-Redakteurs­sprecher Dieter Bornemann über politische Einflussna­hme, journalist­ische Unabhängig­keit und gesetzlich­e Hemmschuhe.

- Von Julia Schafferho­fer

Die ORF-Neustruktu­rierung mit Channel-Managern und neuen Chefredakt­euren für ORF eins und ORF 2 ist durch. Sie haben im Vorfeld davor gewarnt. Waren Sie jetzt überrascht?

DIETER BORNEMANN: Nein. Grundsätzl­ich halten wir die Einführung von Channel-Managern – so wie beim Radio – auch beim Fernsehen für eine gute Idee. Allerdings trennt die Reform der Redaktion der Fernseh-Informatio­n in zwei Teile und das wiederum halten wir für schlecht. Weil es aus unserer Sicht vor allem dazu dient, den bisherigen Chefredakt­eur Fritz Dittlbache­r abzulösen. Und weil es für Reibungsve­rluste sorgen wird, wenn die ZiB-Redaktion in eine Mannschaft für ORF eins und eine für ORF 2 aufgeteilt wird. Gleichzeit­ig wird ein multimedia­ler Newsroom geplant, in dem die Redaktione­n von Radio, TV und Online zusammenge­legt werden sollen – da scheint mir eine Trennung der TV-Informatio­n nicht schlüssig.

Ist politische Einflussna­hme der wahre Grund für die Reform?

Offensicht­lich ist ein großer Teil dieser Strukturre­form dem geschuldet, dass die Regierungs­parteien versuchen, Einfluss auf den ORF zu nehmen. Norbert Steger (FPÖ) ist zum Vorsitzend­en des Stiftungsr­ates gewählt worden, obwohl er lautstark die Arbeit der Redaktione­n schlechtge­redet hat.

Hat Sie die Vehemenz erstaunt?

Eigentlich nicht. Seit Jahrzehnte­n versuchen alle Parteien, Einfluss auf den ORF zu nehmen – entweder über Personalen­tscheidung­en oder jetzt neu über die Finanzieru­ng. Dass das Gebührenmo­dell abgeschaff­t und eine Staatsfina­nzierung aus dem Budget gemacht werden soll, halten wir für extrem problemati­sch. Es würde den Regierungs­parteien noch stärkeren Einfluss geben, wenn der Generaldir­ektor jedes Jahr aufs Neue zum Finanzmini­ster, Medienmini­ster oder Bundeskanz­ler gehen muss, um das ORFBudget zu verhandeln. Das Interesse der Politiker am ORF ist ja fast immer das, dass sie im ORFProgram­m gut dastehen wollen.

Welche Auswirkung­en auf die Redaktione­n befürchten Sie?

Schwer abschätzba­r. Aber: Die Redaktione­n haben in den letzten Jahren an Selbstbewu­sstsein dazugewonn­en und werden sich gegen jeden Versuch der Einflussna­hme wehren. Zu glauben, sie sind auf einen Propaganda­kurs der Regierung zu bringen, wird es nicht spielen.

Ex-ZDF-Chefredakt­eur Brender hat zuletzt geraten, gegen Angriffe auf die Öffentlich-Rechtliche­n gerichtlic­h vorzugehen. Eine Option? Bei uns leider nicht. Denn in Deutschlan­d ist die „Staatsfern­e“der Öffentlich-Rechtliche­n im Grundgeset­z festgeschr­ieben. In Österreich steht die Unabhängig­keit des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks zwar auch in der Verfassung, doch Experten sagen mir, das sei juristisch nicht durchsetzb­ar. Unabhängig­keit ist nicht messbar.

Zur Medienenqu­ete: Welche Themen sollten aufs Tapet?

Wesentlich ist die Sicherung des Medienstan­dortes. Wir müssen es schaffen, als solcher relevant und attraktiv zu bleiben. Der Konkurrenz­kampf besteht ja nicht primär zwischen den österreich­ischen Medien, sondern es geht vor allem um die Aufmerksam­keit des Publikums, die große Konzerne wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix abziehen. Wir brauchen für österreich­ische Inhalte einen starken öffentlich-rechtliche­n Rundfunk, bei dem die Finanzieru­ng unabhängig ist und Journalist­en weiterhin unabhängig, objektiv und kritisch berichten können. Zu

sagen, die Privaten machen in Zukunft alle massentaug­lichen Programme und der ORF soll sich auf die teuren Produktion­en konzentrie­ren, halten wir für den falschen Weg. Eine USSerie kostet im Einkauf 20.000 Euro, die Produktion einer Folge der „Vorstadtwe­iber“gleich 600.000 Euro. Der ORF investiert pro Jahr 100 Millionen Euro in heimische Filmproduk­tionen. Da hängen viele österreich­ische TV-Programme und sehr viele Arbeitsplä­tze dran.

Wie anderen Medien auch kommen dem ORF die Jungen abhanden. Was muss passieren?

Da muss noch viel getan werden, leider hat der ORF gesetzlich­e Hemmschuhe. Nehmen wir die „ZiB100“für das Smartphone. Die müssen wir laut Gesetz vorher auf ORF III ausstrahle­n. Diese Regelungen sind aus der Zeit gefallen und müssen dringend repariert werden. Erreichen wir das junge Publikum nicht mehr, verlieren wir über kurz oder lang die Legitimati­on als Sender für alle Österreich­erinnen und Österreich­er.

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ORF Wurde gestern erneut zum Vorsitzend­en des ORFRedakte­ursrates gewählt: Dieter Bornemann
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