Fürchtet euch nicht
Der neue Jaguar I-Pace aus Graz schlägt für die Autoindustrie ein neues Kapitel auf: Sie muss sich nicht mehr vor Tesla fürchten – im Gegenteil.
Vier Jahre hat es gedauert. Von der ersten Idee, die intern alles andere als unumstritten war. Wenn Technikvorstand Wolfgang Ziebart diese vier Jahre Revue passieren lässt, scheint er selbst zu staunen. Ausgerechnet der klassischen
Marke Jaguar ist es erstmals gelungen, in der Elektromobilität das PR-getriebene Tesla-Projekt von Elon Musk zu entlarven.
Getrieben vom Thema Energierückgewinnung im E-Auto ergibt sich ein neuartiger, angenehmer Fahrstil im I-Pace: Man kann zwei Rekuperationsstufen auswählen. In der zweiten Stufe ist die Verzögerung wesentlich schärfer, man benötigt selbst bei flotterem Fahrstil nur ganz selten das Bremspedal.
Passt man sein Fahrmuster an, dann fährt sich der I-Pace wie aus einem Guss. Gas geben, vom Gas gehen und bremsen erfolgt quasi in einem Schwung. Das Auto lässt sich mit einem Pedal fahren, eigentlich. Und der ganze Swing ist erstaunlich für ein Auto, das 2,2 Tonnen wiegt. Übrigens: Der Unterschied der Motorbremswirkung/Rekuperieren und der Eingriff der „echten“Bremse ist nicht zu spüren, das spricht für hohe Qualität.
An der Vorderachse und an der Hinterachse ist jeweils ein E-Motor engagiert, daraus nährt sich der (leicht heckbetonte) Allrad, der samt Traktionshilfe und dem in der Sekun- de parat stehenden Drehmoment den I-Pace in 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h bringt. Die Kombination dieser spontanen Kraftentfaltung (400 PS, 696 Nm) und einer wackelfreien Querbeschleunigung macht die hohe technische Kompetenz dieses Konzepts aus.
Entscheidend für diese gute Contenance ist der tiefe Schwerpunkt, bedingt durch das Batteriepaket zwischen Vorder- und Hinterachse. Lästige Wankbewegungen eines SUV oder ähnlicher Hochbaukonzepte sind Vergangenheit.
Das Auto liegt einfach fein in der Hand – und gut auf der Straße. Tesla-Spielereien wie einen Autopiloten braucht es nicht. Es ist nämlich ein Vergnügen den I-Pace selbst zu fahren. Im Gelände genauso wie auf der Rennstrecke, wo er eine erstaunliche Performance abliefert. Aus alldem ergibt sich die vielleicht wichtigste Botschaft: Elektromobilität hat nichts mehr damit zu tun, sich selbst zu kasteien.
Selbst bei der Reichweite kommt man auf vernünftige Werte. Nach dem offiziellen Verbrauchszyklus sollen maximal 480 Kilometer drin sein. Der erste Test, von einem lockeren Gasfuß begleitet, ließ realistisch 350 bis 400 Kilometer zu. Fein mitgedacht: Das Navisystem macht auf Basis des Fahrstils schon Hochrechnungen, damit man die Energie und den Gasfuß besser einteilen kann.