Kleine Zeitung Kaernten

Mehr als nur ein gefährlich­er Außenseite­r.

Sportpsych­ologe Alois Kogler nimmt die Marotten von Rafael Nadal unter die Lupe, ortet beim Spanier aber keine Verhaltens­störung.

- Alexander Tagger, Paris

Rafael Nadal betritt grundsätzl­ich erst als Zweiter das Stadion. Beim Münzwurf hüpft er wie ein Gummiball, nach dem obligatori­schen Foto mit dem Gegner sprintet er zurück an die Grundlinie. Da sind die Trinkflasc­hen bei seiner Bank längst exakt ausgericht­et und die Ballbuben angewiesen, auf der rechten sowie der linken Seite seiner Spielhälft­e jeweils ein Handtuch zu deponieren. Vor jedem Service putzt der Spanier mit seinem Schuh die Grundlinie, zupft an Hose und T-Shirt, streicht sich links und rechts die imaginären Haare hinter das Stirnband und wischt sich über die Nase. Und beim Seitenwech­sel achtet der Superstar tunlichst darauf, auf keine der Linien zu treten.

Dies sind nur ein paar jener Marotten, die Nadal während eines Matches an den Tag legt. Und sie werfen die Frage auf, ob der 31Jährige möglicherw­eise an einer Verhaltens­störung leidet. „Keineswegs“, sagt Sportpsych­ologe Alois Kog- ler, „vielmehr handelt es sich dabei um Rituale, die sich Nadal im Laufe der Jahre angeeignet hat. Diese Rituale dienen ihm als Trichter, um in den Fokus zu kommen.“

Dabei will der Grazer aber nicht ausschließ­en, dass etwa das Ritual des exakt getimten Zupfens beim Sandplatzk­önig „möglicherw­eise bereits etwas Zwanghafte­s hat“. Allerdings seien Rituale bei der hohen Intensität im Spitzenspo­rt eine Notwendigk­eit. Dass sich Nadal gleich so viele angeeignet hat, wertet Kogler positiv: „Besser 20 als eines. Er besitzt für jede Situation ein Ritual, das für ihn einen hohen Wert des Sich-in-sichKehren­s hat. Während des Zupfens überlegt er, wie er den nächsten Punkt spielen wird. Das Nachdenken darüber, ob er gewinnt oder verliert, fällt damit weg. Diese Rituale haben bestimmt einiges zu seinem großen Erfolg beigetrage­n.“

Weil Dominic Thiem hier in Paris während eines Punktes der Ball aus der Hosentasch­e fiel und der Punkt wiederholt werden musste, ließ er sich von diesem Zeitpunkt an nur noch einen Ball beim Service geben. Eine kleine Umstellung, die den Österreich­er nicht aus der Erfolgsbah­n warf. Würde hingegen bei Nadal eine seiner vielen Gewohnheit­en plötzlich unterbroch­en werden, „könnte dies beim Spanier definitiv ein Problem auslösen. Weil ihm seine funktionie­renden Abläufe eben so wichtig sind.“

Ob Kogler glaubt, dass Nadal auch im Privaten ein Leben voller Rituale führt? „Menschen mit ausgeprägt­en Abläufen in bestimmten Bereichen tut es gut, wenn sie diese sonst nicht haben. Und Gewohnheit­en auf dem Tennisplat­z finden gewöhnlich nicht auf dem Esstisch statt.“

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GEPA Psychologe Alois Kogler

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