„Der Vater bleibt zu Hause“
In einem kleinen Ort geboren, 90 Jahre dort gelebt und dort gestorben. Ja und?
Ja, sie mag belächelt, von manchen als vorgestrig oder überholt gesehen werden: die Familie, die Großfamilie. Aber es gibt sie noch – die Großfamilie, die nicht nur am heutigen Vatertag oder an Muttertagen zusammenkommt. Und es gibt Familienzusammenhalt über Generationen. Wie in jener Familie, in der der Großvater vor Kurzem gestorben ist. 90 Jahre ist er alt geworden, bis vor wenigen Jahren ist er vor seinem Hotel täglich mit zwei Skistöcken herumgewandert, hat auf die Berge geschaut, die er Skilehrer wie seine Westentasche kannte, er hat Touristen beobachtet, wenig geredet, zwischendurch zu seinem Sohn mit Blick auf die bis auf den letzten Platz besetzte Terrasse vor dem Hotel kurz gesagt: „Geschäft läuft gut, passt.“
Ein Mann, der in einem klei- nen Ort geboren wurde, sein Leben dort gelebt hat und dort gestorben ist. Mithilfe der Materialseilbahn hat er zu einer Zeit, als noch keine Straße auf den Berg führte, ein kleines Haus mit einem einzigen Fremdenzimmer gebaut. Mit dem Pferdekarren hat er das Gepäck der Touristen ins Haus befördert. Heute führen Schwiegertochter und Sohn das Haus, das nicht mehr ein, sondern Dutzende Fremdenzimmer hat und eines der bezauberndsten Hotels dieser Gegend ist. In seinem Haus, in dem er mit einem Fremdenals zimmer begonnen hat, ist er auch gestorben. „Der Vater“, hat der Sohn gesagt, „bleibt zu Hause.“Dass er umgeben von seiner Frau, seinen Enkeln und Kindern sterben konnte, sei, sagte der Sohn, für alle das Wichtigste gewesen. Und die Schwiegertochter erzählte in der Kirche bei der Verabschiedung, in 30 Jahren nie ein böses Wort von ihm gehört zu haben.
Warum ich darüber schreibe? Was an diesem Leben, diesem Erfolg, diesem Familienzusammenhalt besonders ist? Nichts – und alles.