Was einen Vater ausmacht
Das Anforderungsprofil an einen modernen Vater hat sich gewandelt. Einfacher ist es nicht geworden. Ein kritischer Blick in den Spiegel anlässlich des heutigen Vatertags.
Zum heutigen Vatertag: Klaus Höfler macht sich Gedanken über das Anforderungsprofil an moderne Väter zwischen Karriere und Karenz. Und ein Kärntner Vater von sieben Kindern erzählt, warum er seine Rolle so liebt.
Das ist eine Geschichte vom Angstvertreiben. Und Mutverleihen. Von stürmischen Umarmungen. Und zögerlichem Loslassen. Vom Freudeschenken. Und Tränentrocknen. Von viel Lachen.
Das ist eine Geschichte von ewigen Glücksperioden. Und eruptiven Wutmomenten. Vom Verlieren. Und Gewinnen. Von knallbunten Visionen. Und mattgrauer Verzweiflung. Von vielen Fragen. Das ist eine Geschichte vom Leben, das einem das Vatersein zutraut.
Das ist eine Geschichte von der Sonnenseite des Alltags. Und dunklen Augenblicken. Von eingetrocknetem Babybrei auf Papahemden. Und Kinderliedern. Vom Windelwechseln. Und Im-Arm-Halten. Von guten Vorsätzen. Und schlechten Angewohnheiten. Vom Niegenug-Kuscheln. Und Viel-zuoft-nicht-Dasein. Von ersten Schritten. Und letzten Worten. Von viel Dankbarkeit.
Das ist eine Geschichte vom Vorlesen. Und Zuhören. Von Bruno, dem Braunbären. Und Walter, dem Wal. Vom Saltohupfen am Trampolin. Und Muschelsammeln am Strand. Von roten Kugelschreiberstrichen an weißen Wohnzimmerwänden. Und frechen Grasflecken auf frisch gewaschenen Hosen. Vom Palatschinkenwerfen. Und Seifenblasenfangen. Von Pflugbogen-Schussfahrten. Und Fußballgaberln. Vom Gitarreüben. Und Vokabellernen. Von „smile-igen“WhatsApp-Chats. Und zornigem Streit. Von viel Liebe.
Das ist meine Geschichte und die meiner Kinder.
Aber diese chronikalischen Miniaturen eines Familienlebens verzichten auf spektakuläre Exklusivität. Sie werden hundert-, tausend-, millionenfach gelebt. Es sind Verhaltensmuster, die gesellschaftlichen Regeln, vererbten Erwartungen, moralischen Zwängen, spontanen Ideen, kreativen Spinnereien oder schlichtem Pragmatismus geschuldet sein können. Und doch sind sie in ihren individuellen Spielarten für die Betroffenen etwas Spektakulär-Einzigartiges. Kronzeugen der Unwiederbringlichkeit der Zeit.
Gerade Vätern wird gerne vorgeworfen, den Wert dieser juwelhaften Momente des Jetzt nicht oder nur unzureichend schätzen zu können. Sich stattdessen anderem, vermeintlich Wichtigerem zu widmen: dem Gestern, dem Übermorgen, der Karriere, den Kollegen, der Midlife-Crisis, der Selbstverwirklichung, statt in ihrer eigentlich wichtigsten Lebensaufgabe zu brillieren: als Vater.
diese Kritik? Und wenn: Ist sie fair? War das immer so? Und wenn nicht: Was hat sich geändert? Woher kommt dieses Verhaltensbrauchtum? Und wohin führt es? Wie kann Vatersein eigentlich gelingen? Und gibt es eine Update-Version „Papa 4.0“? Die Antworten sind wohl ernüchternd. Fest steht, dass sich die Rolle des Vaters im Laufe
Eder Jahre stetig verändert hat. s war die Geschichte einer thronartigen Überhöhung als strenges, autokratisches Familienoberhaupt. Es war eine Geschichte, in der dem Herrn der Schöpfung auch per Gesetz ein Sonderstatus zugestanden wurde. Es war 1970.
Bis damals galt ein Familienrecht, das den Mann als „Haupt der Familie“determinierte. Er lieferte den Familiennamen, er bestimmte den Wohnsitz, er legte die Erziehungsziele der ihm zu Gehorsam verpflichteten Kinder fest, er musste für einen „anständigen Unterhalt“sorgen. Und die Frau? Sie hat ihm gemäß Paragraf 92 „in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beyzustehen, und so weit es die häusliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln sowohl zu befolgen, als befolgen machen“. Und heute?
Es ist eine Geschichte von jungen Vätern, die sich oft vornehmen, „es anders machen zu wollen als ihre eigenen Väter“, analysiert Entwicklungspsychologe Harald Werneck in seinem Buch „Übergang zur Vaterschaft: Auf der Suche nach den ,Neuen Vätern‘“. Es ist die Geschichte vom hehren Ziel, die Fehler der Altvorderen nicht zu wiederholen. Und es ist die Geschichte einer ernüchternden Wirklichkeit, in der sie „im Wesentlichen – meist unbewusst – das Modell des eigenen Vaters übernehmen“, sagt Werneck.
Ein Rahmen, der aber weiterhin Raum für Variationen lässt. Dazu kommen gesetzliche Novellierungen wie vielfältige Väterkarenzoptionen, Papamonat, Teilzeitlösungen, die in Verbindung mit weniger bis anti-autoritären Erziehungsmodellen und der Emanzipation eine völlig neue Rollenverteilung innerhalb einer Familie ermöglichen. „Wir haben uns von einem Befehlshaushalt zu einem Verhandlungshaushalt entwickelt“, beschreibt es Familienforscher Olaf Kapeller im „Kurier“. Das sorgt bisweilen für Orientierungslosigkeit, was denn jetzt eigentlich vom Vater zwischen Karriere und Karenz gefordert, gewünscht, erwartet wird und was er vermeiden soll. Es ist die Weitergabe einer tradierten Mütter-Zwickmühle. Wobei aber viel Platz für verquere S Selbsteinschätzungen bleibt. o wollen zwar viele Männer daheim präsenter und gute Väter, wenn auch keine zweite Mutter sein. Tatsächlich empfinden sie sich aber häufig als aktiver in der Familie, als sie es tatsächlich sind. Bestätigt wird das durch eine Studie der Arbeiterkammer, wonach die Väterkarenzzeiten immer kürzer werStimmt
Mein Vater ist ein großes Kind, das ich bekommen habe, als ich noch ganz klein war. Alexandre Dumas
Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wie viel er in den sieben Jahren dazugelernt hat. Mark Twain
Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Wilhelm Busch
Ich hätte ein wenig Aufmunterung, ein wenig Freundlichkeit, ein wenig Offenhalten meines Weges gebraucht. Stattdessen verstellst Du mir ihn, in der guten Absicht, dass ich einen anderen Weg gehen sollte. Franz Kafka
Väter sollte man weder sehen noch hören. Das ist die einzige geeignete Basis für das Familienleben. Oscar Wilde
den. 70 Prozent der Männer sind nach spätestens drei Monaten wieder berufstätig. Für Hausarbeit und Kinderbetreuung bleiben weiterhin hauptsächlich die Frauen zuständig.
Dabei ist ein präsenter Vater aus mehreren Gründen wichtig für die Entwicklung eines Kindes. Er spielt anders, kommuniziert anders, handelt meist weniger sprach- und mehr handlungsorientiert, weniger emotional und eher sachorientiert. „Differenzerfahrungen“nennt es die Psychoanalyse und meint die Bereicherung durch Andersartigkeit. Söhne profitieren so vom direkten Rollenvorbild des Vaters, Töchter, weil sie einen positiven Umgang mit dem anderen Geschlecht lernen können. „Ohne irrationale Ab- wertungen oder illusorische Überhöhungen dient das als gute Basis für eine spätere Partnerbeziehung“, erklärt Entwicklungspsychologe Werneck die Referenzfunktion des Vaters E für seinen Nachwuchs. s bleibt eine Geschichte von großem Vertrauen. Und kleinen Enttäuschungen. Von tiefgehenden Gefühlen. Und hochfliegenden Plänen. Von „Ich mein’s ja nur gut!“-Ratschlägen. Und „Papa, du bist mega-peinlich!“-Retouren. Von viel Schmunzeln.
Es bleibt eine Geschichte von Küssen auf die Stirn. Und Kribbeln im Bauch. Von zerfetzten Nervenkostümen. Und verrückten Faschingsverkleidungen. Vom ersten Rausch. Und letzten Schultag.
Vom Hinbringen.
Und Abholen. Von viel Warten.
Es bleibt eine Geschichte vom Leben, das einem das Vater sein geschenkt hat.
Es bleibt eine Geschichte von offener Überforderung. Und innerer Zufriedenheit. Von Träumen und Dramen. Fehlern, Folgen und Erfolgen. Vom Hoffen und Hadern. Haltung und Hingabe. Von Taschengeld. Und Rucksackreisen. Von vielen Wünschen.
Es bleibt meine Geschichte und die meiner grandiosen Kinder.