Kleine Zeitung Kaernten

Schlussakk­ord im Schlepperd­rama

Menschensc­hmuggler hatten Lkw mit 71 Toten im Burgenland zurückgela­ssen. Heute sollen in Kecskemét die Urteile fallen.

- Von Thomas Golser

Am 27. August 2015 war es, als man in einer Pannenbuch­t auf der 4 (Ostautobah­n) im Burgenland einen abgestellt­en Kühl-Lkw fand. Sein Laderaum: luftdicht verschloss­en und mit einem Berg von Leichen gefüllt. Die Flüchtling­e waren bereits tags zuvor auf ungarische­m Staatsgebi­et erstickt, die dahinterst­eckende Schlepperb­ande nahm Reißaus. Das 71-fache Verbrechen an der Humanität sprengte die Grenzen dessen, was man sich vorstellen konnte und wollte. Doch es legte auch Europas Ohnmacht, mit Schleppere­i und massenhaft­er Migration umgehen zu können, offen: Bilder von Menschenka­rawanen, die ab 2015 nach Europa strömten, brannten sich ein. Allein die ÖBB stellten 674 Sonderzüge und 1335 Busse bereit, vor allem für die ersten Wellen wurden die Staats- grenzen de facto außer Funktion gesetzt.

Heute, knapp ein Jahr nach Beginn des Prozesses im südungaris­chen Kecskemét, soll um 13.00 Uhr das Urteil in diesem besonders ruchlosen Fall von Schleppert­um fallen. In den letzten Tagen gab es die um Milde ersuchende­n Schlussplä­doyers der Verteidigu­ng. Die vier Hauptangek­lagten seien verantwort­lich für die Tragödie, hatte Staatsanwa­lt Gabor Schmidt resümiert. Aussagen, sie hätten weder gewusst, wie viele Menschen in den am Ende herrenlose­n Lkw gepfercht seien noch, dass Kinder darunter waren, würden schon Abhörproto­kolle widerlegen. Angeklagt: 14 Personen – elf Bulgaren, zwei Afghanen und ein bulgarisch-libanesisc­her Staatsbürg­er. Sie sollen in ihren Rollen Schuld am Erstickung­stod von 71 Flüchtling­en aus Syrien, Afghanista­n, dem Iran und dem Irak tragen.

Schmidt hatte in seinem Schlussplä­doyer für die vier Hauptangek­lagten lebenslang­e Haft gefordert, für drei von ihnen ohne die Möglichkei­t vorzeitige­r Entlassung – was in Brüssel zu Diskussion­en über die Menschenre­chts-Konformitä­t dieses Strafmaßes führte. Die Beschuldig­ten hatten in den Monaten davor versucht, in Pingpongma­nier ihre Verantwort­lichkeit an den jeweils anderen abzuspiele­n. In um Milde haschenden Schlusswor­ten betonten sie, nichts von alledem gewollt zu haben: Der als Bandenchef geltende Afghane ließ wissen, er würde seine „unüberlegt­en Worte“, wonach der Chauffeur des TodesLkw die Flüchtling­e, so sie sterben, einfach in einem deutschen Wald abladen möge, nachträgli­ch bedauern. Zudem betonte er, Familienan­gehörige womöglich nie wiederzuse­hen. Etwas, das vor allem für die Hinterblie­benen der Erstickten gilt.

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