„Mit Zeitausgleich könnte ein Kompromiss kommen“
Der scheidende ÖGB-Präsident Erich Foglar pocht bei der Arbeitzeitflexibilisierung auf kürzere Arbeitszeiten. Von Claudia Haase
Heute übergeben Sie die Stafette an Wolfgang Katzian. Tut Scheiden weh?
ERICH FOGLAR: Ich fühle mich nicht kurz vor der Scheidung, der ÖGB wird meine Heimat bleiben bis ins Grab.
Keine Wehmut?
Natürlich, weil auch die extrem herausfordernden Phasen wie die Bawag und die Finanzund Wirtschaftskrise gut waren. Jetzt erneuern sich alle Sozialpartnerspitzen, an ihnen liegt es, den Weg zu definieren, den sie gemeinsam gehen wollen oder auch nicht. Nein. Es wird gerne vergessen, dass zwei von den drei Ebenen – jene in den Betrieben und bei den Kollektivvertragsverhandlungen – funktionieren. Dort haben wir Meilensteine bei flexiblen Arbeitszeitmodellen gesetzt. In der dritten Ebene, oben bei den Präsidenten und mit der Regierung, da bin ich überzeugt, am Ende wird die Vernunft siegen. Man muss das Miteinander wieder finden.
Die Tonart beim Kongress, klingt die nicht nach Eskalation?
Das werden wir sehen, grundsätzlich gibt es in einem Kampf viele Möglichkeiten.
Worauf schießt sich der ÖGB am meisten ein?
Dass man unbedingt die Höchstarbeitszeit generell auf 60 Wochenstunden und zwölf Stunden am Tag erhöhen will.
Generell? Übersehe ich etwas?
Ausnahmeregelungen haben wir genug seit zig Jahren. Jetzt sollen die Ausnahmen wegfallen, die bisher vom Gesetz klar definiert und näher vom Kollektivvertrag und im Detail von Betriebsvereinbarungen geregelt sind. Das will man weghaben, man soll sich alles nur noch auf Betriebsebene ausmachen. Den Betriebsräten fehlen dann wesentliche Eckpunkte, der Betriebsrat ist somit der Schwächere. Wir werden uns auch nicht die Jugendvertrauensräte wegnehmen lassen. Bedenken Sie, zwei Drittel der Betriebe haben überhaupt keinen Betriebsrat, weil sie zu klein sind. Wie weit es dann mit der Zeitsouveränität der Arbeitnehmer her ist, wie oft er sagen kann, das will ich nicht, kann sich doch jeder vor- stellen. Aber mit Zeitausgleichsmaßnahmen könnte man schon auf einen Kompromiss kommen.
Mit einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich?
Die letzte Arbeitszeitverkürzung war vor 43 Jahren auf die 40-Stunden-Woche. Die haben wir uns mit Produktivitätsfortschritten selbst bezahlt.
Das Ultimatum der Regierung an die Sozialpartner per Ende Juni verstreicht definitiv?
Das sind doch diese typischen
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