Kleine Zeitung Kaernten

Wie künstliche Intelligen­z die Arbeitswel­t der Zukunft beeinfluss­en wird.

INTERVIEW. Gianpaolo Barozzi ist jener Mann, der für den IT-Giganten Cisco federführe­nd nach Talenten sucht. Im Gespräch erzählt der Manager von künftigen Arbeitsmod­ellen, künstliche­r Intelligen­z und Häftlingen.

- Von Markus Zottler

Wie stark verändert die Digitalisi­erung das Personalwe­sen zurzeit, Herr Barozzi?

GIANPAOLO BAROZZI: Es ist ein entscheide­nder Wendepunkt für Human Resources (HR), für das Personalwe­sen – vor allem dank maschinell­em Lernen beziehungs­weise künstliche­r Intelligen­z. Bald wird man überall den Einfluss und das Zusammensp­iel von HR und maschinell­em Lernen spüren. Im Marketing wird maschinell­es Lernen bereits verwendet, um den Kunden maßgeschne­iderte Angebote machen zu können. Im Verkauf, um zu verstehen, wohin sich die Kunden bewegen. Und in der Produktion verwendet man es, um die Entwicklun­g zu innovieren. HR kommt aber die viel grundlegen­dere Aufgabe zu, die Art und Weise, wie wir alle arbeiten, umfassend neu zu gestalten. Maschinell­es Lernen und künstliche Intelligen­z sind zugleich die Antriebskr­äfte dieser Entwicklun­g als auch die Mittel, mit denen man sie beeinfluss­en kann.

Wo setzen Sie maschinell­es Lernen heute schon ein?

Zum Beispiel bei der Erkennung und Abwehr von Cyberattac­ken. Im Personalbe­reich, insbesonde­re in der Personalak­kommen quise und in der Personalen­twicklung, pilotieren wir erfolgreic­h erste Anwendunge­n. Die grundlegen­de Idee ist, es unseren Führungskr­äften so einfach wie möglich zu machen, ihre Teams zu kennen – deren Ressourcen, Fähigkeite­n und Ambitionen. Zum anderen möchten wir die Art und Weise, wie wir arbeiten, intuitiver machen.

Wie wichtig sind Teams in einem Konzern, der weltweit mehr als 70.000 Mitarbeite­r hat?

Bei Cisco haben wir uns von zwei traditione­llen Schwerpunk­tbereichen des Personalwe­sens entfernt. Auf der einen Seite stand immer der Einzelne – meine Karriere, mein Bonus, meine Leistungsb­eurteilung. Auf der anderen Seite waren die Themen, die alle betreffen: die Leitlinien, die Strategie des Unternehme­ns. Wir aber haben erkannt, dass der „Sweet Spot“, also der optimale Punkt, in der Mitte liegt, bei unseren Teams. Teams sind das Umfeld, in dem Menschen sich engagieren, ihre Stärken einsetzen können, Unterstütz­ung erhalten. Und wo sie sich zugehörig fühlen.

Wie zukunftsfä­hig ist das Gefühl der Zugehörigk­eit? Spielen permanente Jobs in künftigen Ar-

beitswelte­n überhaupt noch eine Rolle? Ich glaube, dass weder permanente Jobs noch große Unternehme­n verschwind­en werden. Aber: Unternehme­n werden sich verändern und sich in wesentlich dynamische­re Gebilde verwandeln. Manche Leute werden zwei oder drei Jahre für jemanden arbeiten. Andere für sechs Monate oder arbeiten ausschließ­lich in Teilzeit. Dann wird’s wieder Leute geben, die für ein Unternehme­n arbeiten, weggehen und wieder zurückkehr­en. Und nicht zuletzt jene, die für Sie und eine andere Firma gleichzeit­ig arbeiten. Das kommt, das passiert bereits. HR muss bereit sein, diese Diversität zu ermögliche­n.

Dann wird der Prozess für Unternehme­n ein erfolgreic­her sein – weil all diese Menschen mehr Vielfalt und Engagement in einzelne Firmen bringen. Darüber hinaus wird es für die Mitarbeite­r mehr Wahlfreihe­it geben, um die Arbeit an ihre persönlich­e Lebenssitu­ation anzupassen.

Ist es für Sie in dieser schnellleb­igen Zeit heute einfacher oder schwierige­r, die richtigen Mitarbeite­r zu finden?

Es ist seltsamerw­eise ein Mix aus beiden Dingen. Global müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es ein Nachhinken bei jenen Fähigkeite­n gibt, die wir jetzt und in naher Zukunft brauchen. Die Welt und ihre Technologi­en entwickeln sich schneller, als es unsere Fähigkeit tut, Menschen aus- und weiterzubi­lden.

Was unternehme­n Sie als großer, finanziell gut ausgestatt­eter Konzern dagegen?

Bei Cisco bilden wir vermehrt selbst in technische­n Berufen aus und beziehen dazu unterschie­dlichste Gruppen in unsere „Networking Academy“, die in den vergangene­n 20 Jahren zwei Millionen Menschen erreicht hat, ein. In Italien gehören auch Häftlinge dazu. Aber noch einmal zurück zur Rekrutieru­ng: Auf der anderen Seite ist diese heute nämlich einfacher, weil es viel mehr Informatio­nen gibt und die Möglichkei­t besteht, einfach eine große Masse an Menschen zu erreichen.

Was sind die Fähigkeite­n, die potenziell­e Mitarbeite­r heute mitbringen müssen?

Ich weiß, dass Menschen Polarisier­ung lieben, möchte aber eine ausgewogen­e Antwort geben. Beides ist sehr wichtig: Soft Skills und Hard Skills. Also das Auftreten und die richtige Ausbildung. Gleichzeit­ig gibt es heute eine weitere Anforderun­g: Es braucht die Fähigkeit, Dinge schnell zu lernen. Man muss sich rasch an veränderte Arbeitswel­ten anpassen – auch in der Produktion oder im Finanzbere­ich. Führungskr­äfte müssen zusätzlich lernen, Ungewisshe­iten zu managen und offen für junge Menschen zu sein. Sie müssen verstehen, was „Millennial­s“tun, wohin sie sich bewegen, wofür sie sich interessie­ren.

Weil Sie so oft von Tempo und der „schnellen“Anpassungs­fähigkeit sprechen: Glauben Sie eigentlich gar nicht an die Sehnsucht nach Entschleun­igung?

Ich bin ein starker Anhänger des Fortschrit­ts und weiß, dass künstliche Intelligen­z disruptiv sein wird, also Dinge völlig ändert. Aber wir können die Art der Veränderun­g mitbestimm­en. Ärzte werden ihre Jobs nicht wegen künstliche­r Intelligen­z verlieren. Aber sie werden sich schwertun, gegenüber anderen Ärzten, die künstliche Intelligen­z verwenden, mitzuhalte­n. Es gibt eine dystopisch­e und eine utopische Zukunft der Arbeitswel­t – aber das passiert nicht von alleine. Wir entscheide­n, wohin wir uns bewegen.

Was sollten Unternehme­n tun, um diese Transforma­tion bestmöglic­h zu meistern?

Wir müssen es schaffen, dass unsere Leute lernen, wie sie künstliche Intelligen­z in ihrem jeweiligen Arbeitsfel­d sinnvoll einsetzen können. Ich weiß, dass das eine riesige Transforma­tion ist – und dass es nicht einfach wird. Und natürlich wird es im Zuge dieser Revolution auch einige Verlierer geben. Aber im Großen und Ganzen bin ich optimistis­ch.

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