EU-Stimmung ist nicht so schlecht, wie es scheint
Die mediale Aufregung war groß: Laut aktueller Eurobarometer-Umfrage hielten „plötzlich“nur 45 Prozent der Österreicher die EU-Mitgliedschaft für eine „gute Sache“. Weit unter dem EU-Durchschnitt von 60 Prozent; tief genug für dramatische Schlagzeilen. Kaum erwähnt wurde dabei, dass nur 16 Prozent die Mitgliedschaft als explizit „schlechte Sache“bewerten, während ein großer Anteil von 39 Prozent sie neutral sieht. Ebenso wenig wurde berichtet, dass die Zahl jener, die die Mitgliedschaft für eine „gute Sache“halten, in den letzten zehn Jahren schrittweise gestiegen ist – wenn auch auf niedrigem Niveau. Den viel zitierten abrupten Verfall der heimischen EU-Stimmung, den gibt es nicht.
Das bestätigen auch unsere eigenen Umfragedaten. Bei der Frage nach dem EU-Verbleib waren in 56 österreichweiten Befragungen seit 1995 die Mitglied schafts befürworter stets inder Mehrheit. Aktuell sind fast drei Viertel der Österreicher für den EU-Verbleib und 17 Prozent für einen Austritt. Seit der Brexit-Entscheidung hat die Zustimmung deutlich zugelegt. Nicht unbedingt aufgrund einer verbesserten europäischen Performance, sondern wegen eines instabileren internationalen Umfelds. Eine Mehrheit ists ichbewusst, dass die Herausforderungen nicht national staatlich gelöst werden.
„Aktuell sind fast drei Viertel der Österreicher für den EU-Verbleib und 17 Prozent für einen Austritt.“
Letztlich ist es keine Frage des Ob, sehr wohl aber des Wie, wenn es um die EU-Mitgliedschaft geht. Handlungsbedarf gibt es zur Genüge: Das Fehlen einer einheitlichen Zukunftsvision, das sich in Trennlinien zwischen Nord und Süd in puncto Ausgestaltung der Eurozone manifestiert sowie zwischen West und Ost in Asyl-, Migrationsfragen, schwächt das Vertrauen in eine stark mit sich selbst beschäftigte Union. Dafür trägt vor allem der Dissens unter den nationalen Regierungen die Verantwortung. Die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen Mittel werden der EU verwehrt, gleichzeitig wird sie als Sündenbock für Fehlentwicklungen an den Pranger gestellt, wobei die eigene Rolle im EU-Entscheidungsfindungsprozess gerne verschwiegen wird. Vor diesem Hintergrund ist die EU-Stimmung gar nicht so schlecht.