Bollwerke des Niedergangs
Als im Herbst 1989 die Berliner Mauer fiel, war der Jubel groß. Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert später, ist die Euphorie verflogen. Nicht nur in Europa, überall in der Welt wachsen unter dem Eindruck von Terror, Krieg, Hungersnöten und Migration neue Mauern empor. Einige davon sind bekannt wie die Sperranlage zwischen den USA und Me- die US-Präsident Donald Trump ausbauen will, oder das Bollwerk aus Beton zwischen Israel und Palästina, das Städte, Obstgärten und Familien zerschneidet. Von anderen wie dem unter elektrischer Spannung stehenden Sicherheitszaun zwischen Südafrika und Simbabwe oder dem kürzlich fertiggestellten Wall, mit dem Saudi-Arabien seine Grenze zum Jemen befestigt hat, weiß man weniger.
In ihrem preisgekrönten Buch „Mauern“geht die streitbare amerikanische Intellektuelle Wendy Brown dem Phänomen nach. Die Mauern der Gegenwart, so die in Berkeley lehrende Politologin, seien theatralische Inszenierungen der Politik für die Bevölkerungen von Nationalstaaten, die sich von den gloxiko, balen Kräften besonders bedroht fühlten. Doch anstatt Souveränität einzumauern, seien sie aufgrund ihrer faktischen Wirkungslosigkeit in einer entgrenzten Welt nicht Sinnbild für deren Schwinden, sondern würden den Verlust von Staatlichkeit sogar dramatisch beschleunigen.