Die Trauer des Nachbarn
Bei Paolo, dem Wirt einer Kneipe irgendwo im Kanaltal, wo „un café“schmeckt wie kaum je irgendwo, wo man, Gesetz hin oder her, ungestört seine Pfeife schmauchen kann, bleibt der Fernseher ober der Theke die nächsten Wochen finster. Paolo trägt Trauer: „Eine Fußball-Weltmeisterschaft ohne Italien, das darf es nicht geben.“Wir, ein paar Kärntner Fußball-Fans, pflichten ihm voll Mitleid bei.
Seine Züge hellen sich erst auf, als er von glorreichen Zeiten des italienischen Fußballs schwärmt. Er zählt die Helden der Vergangenheit auf: Andrea Pirlo, Giorgio Chiellini, Gianluigi Buffon, Franco Baresi, Claudio Gentile, Marco Tardelli, Paolo Rossi, Dino Zoff, Giacinto Facchetti, Gianni Rivera, Sandro Mazzola, Luigi Riva, Roberto Boninsegna, . . . us Paolos Mund klingen die Namen wie eine Arie. Da ist er, zumindest kurz, wieder versöhnt mit sich und der Welt. Und schenkt eine Runde Limoncelli aus.
Manchmal ist die Vergangenheit halt schöner als die Gegenwart. Als jene neue Zeit, in der Effizienz, Effektivität und Exzellenz eine unsympathische gesellschaftspolitische Vision verkörpern und nicht die typischen Tugenden italienischer Kicker. Paolo schmeckt diese neue Zeit so wenig wie Ananas auf einer Pizza. So einer wie Paolo kann kein schlechter Mensch sein.
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