„Ohne Ausstrahlung nutzt die Stimme nichts“
Thomas Quasthoff steht wieder auf der Bühne. Heute Abend gastiert er in Graz, am 3. Juli singt er in Wien.
Eigentlich hat er sich 2013 aus gesundheitlichen Gründen von seiner Gesangskarriere verabschiedet. Uneigentlich ist Thomas Quasthoff wieder da. Unter dem Titel „Nice ’n’ Easy“hat er mit seinem Trio und der NDR Bigband eine Auswahl an JazzKlassikern aufgenommen und geht damit auf die Bühne. Heute Abend tritt er im Grazer Musikverein auf, am 3. Juli beim Jazz-Fest in der Wiener Staatsoper.
Herr Quasthoff, mit der Jazz-CD gehen Sie sozusagen an Ihre Roots zurück. Wie erklären Sie Ihren Rücktritt vom Rücktritt?
THOMAS QUASTHOFF: Damit, dass die Stimme wieder da war und dass mich alte Freunde animierten, unter ihnen Frank Chastenier, der alte Hugenotte, der auf „Nice ’n’ Easy“auch mitspielt. „Tommy“, hat er gesagt, „wir lassen dir alle Töne so transponieren, dass es für dich gut ist!“Ein weiterer Anreiz war die Bigband. Aber niemand soll glauben, der Quasthoff habe den Jazz neu erfunden. Die Deutschen kommen immer mit Begriffen wie Ziel, Absicht, Programm. Nein, ich habe das gesungen, weil es mir Spaß machte. Da waren ein paar schöne Songs, und ich habe versucht, sie so gut wie möglich zu singen.
Wie sehen Sie die Entwicklung auf dem klassischen Sektor?
Die Politik kürzt immer im künstlerischen Bereich, dabei bilden wir heute mehr Leute denn je aus. Da sollte man immer wieder mahnen. Und dann wundere ich mich auch über die Politik mancher Tonträger-Konzerne. Da passieren Sachen, die ich ganz schlimm finde. Nein, noch schlimmer. Alles ist so kurzfristig geworden. Es fehlen die Visionen. Junge Künstler können sich nicht mehr etablieren. Und von Künstlern, die bereits etabliert sind, nenne ich das Beispiel Michael Schade. Ein so großartiger Tenor, der längst einen Exklusivvertrag bei einem großen Tonträger-Konzern haben müsste. Hat er aber nicht.
Sie bilden auch aus. Wie sind Sie denn als Lehrer?
Mittlerweile sehr fordernd und Disziplin liebend. Aber auch humorvoll und geduldig. In diesem Sinne reicht es mir zunächst einmal, wenn die Leute ihr Brot mit dem Gesang verdienen können. Die große Karriere ist was ganz anderes. Dazu gehört mehr: Glück, Können, Ausstrahlung.
Wie werden manche zu ganz Großen?
Wir können ausbilden, so viel wir wollen. Doch wenn Ausstrahlung und Selbstbewusstsein fehlen, wird es problematisch. Ohne Ausstrahlung nützt die schönste Stimme nichts.